~~CLOSETOC~~
2 Vervielfältigung und Verbreitung
2.4 Die »ärgerlichen« Schriften
2.4.5 Das kaiserliche Bücherregal
1637 hatten die Frankfurter Bücherkommissare Hagen und Bender, die im Auftrag des Kaisers tätig waren, ohne den örtlich zuständigen Behörden davon zu berichten, vom Frankfurter Drucker Humm eine Strafe von 1000 Taler gefordert, weil der gegen ein kaiserliches Privileg verstoßen habe. Die Erteilung von »Impressorien und Privilegien [sei] ein aus dem Brunnquell aller Gnaden fließendes kaiserliches Regel, weshalb denn auch dem Kaiser ausschließlich, und nicht mit anderen konkurrierend, die Kognition über die Wahrung dieser Privilegien gegen Übertreter zustehe«, lautete die Begründung der Kommissare.1)
Das kaiserliche Bücherregal2) umfasste die Befugnis, die Veröffentlichung und Verbreitung von Schriften zu kontrollieren, die den gegenläufigen Interessen des Corpus Catholicorum und des Corpus Evangelicorum unterlag, Privilegien für den ausschließlichen Druck zu erteilen, aber auch Pflichtexemplare zu fordern.3)
- Inhalt der Schriften
- Privilegien
- Abgabe von Pflichtexemplaren
Auf dieser Grundlage versuchte der Kaiser auf die gedruckten Schriften und den Buchhandel Einfluss zu nehmen, der andernfalls nur von den einzelnen Territorialherren kontrolliert werden konnte. Allerdings waren die Befugnisse und Zuständigkeiten einerseits, die Möglichkeit zur Durchsetzung von Regelungen andererseits, wie so vieles im Heiligen Römischen Reich, keine klare Angelegenheit.4)
Der deutsche Kaiser hatte nicht die Mittel, sämtliche Schriften im Reich zu kontrollieren, musste sich also auf die Landeshoheiten verlassen. Diese waren aber teils protestantisch und ließen Schriften zu, die gegen die päpstliche Seite oder Habsburg gerichtet waren, während sie katholische Streitschriften nicht zuließen. Weil die tatsächlichen Mittel fehlten, beschränkte sich die kaiserliche Kontrolle der Druckschriften der Habsburger auf Österreich (ausgeübt vom Wiener Reichshofrat), auf die Frankfurter Bücherkommission, die im protestantischen Frankfurt die Messe durch katholische Bücherkommissare kontrollierte oder dies zumindest versuchte, und einige Reichsfiskale.
Bücherkommission
Am 1. August 1569 setzte Kaiser Maximilian II. die Bücherkommission in Frankfurt ein, deren Aufgaben die Kontrolle der Zensur und der Privilegien sowie die mit der kaiserlichen Privilegierung verbundene Pflichtexemplarregelung war, die aber zunächst nur unvollkommen umgesetzt und nicht weiter verfolgt wurden.5) Die Zusammensetzung der Kommission in Frankfurt war von Wien, den Jesuiten, kurz der führenden päpstlichen Partei Deutschlands, bestimmt. Bis auf den letzten, 1780 ernannten Bücherkommissar Deinet waren sämtliche katholischen Glaubens, oft Geistliche, und viele zugleich als apostolische Bücherkommissare tätig.6)
Bei Kapp findet sich eine Aufstellung der katholischen und der protestantischen Novitäten von 1564 bis 1765, die in den Messekatalogen genannt werden. Lediglich 1567 waren es mehr katholische Bücher. Bereits zur Mitte des Dreißigjährigen Kriegs reduzierte sich die Zahl der katholischen Messeartikel deutlich (vgl. Abbildung). Ab 1715 sind es im Jahr im Schnitt nur noch um die 30 katholische Titel7) Die Holländer, Calvinisten, die einen achtzigjährigen Freiheitskampf gegen das streng katholische Spanien hinter sich hatten und nach dem Dreißigjährigen Krieg die letzten vermehrt auf der Messe anzutreffenden ausländischen Buchhändler stellten, waren genauso betroffen wie die Buchhändler anderer protestantischer Gebiete. Da die theologischen Schriften bis in das erste Drittel des 18. Jahrhunderts hinein mit über vierzig Prozent Anteil das Gros der auf der Messe gehandelten Bücher ausmachte, behinderte die Verfolgung der vorrangig protestantischen Schriften den gesamten Handel.
Rudolf II. begann ab 1579 die Durchführung der Zensur zu beeinflussen, die zuvor der Frankfurter Stadtrat für die Messe in Händen hatte.8) In Frankfurt fand keine Vorzensur auswärtiger Schriften statt, da diese – wie gesehen – am Ort des Erscheinens zensiert werden sollten. Wenn die Bücher zur Frankfurter Messe geliefert wurden, oblag es dem Frankfurter Rat, zu kontrollieren, ob die Bücher am Erscheinungsort zensiert waren – eine Aufgabe, die die Frankfurter wohl eher lax handhabten. Die kaiserliche Bücherkommission konnte zwar nicht unmittelbar eingreifen, stand jedoch dem Frankfurter Rat unterstützend (oder sich aufdrängend) zur Seite.9) Es entwickelte sich ein steter Kampf des Stadtrats und der Kommission um Zuständigkeiten und Befugnisse, verbunden mit Beschwerden einzelner Reichsstände der jeweiligen Konfessionen, dass etwa im Messekatalog die katholischen Schriften nicht abgedruckt seien und so schlechter verkauft würden, dass die Bücherkommission einseitig nur die Protestanten bedränge, die Pflicht zur Vorlage von Indices, Pflichtexemplare vor Handelsbeginn das Geschäft erschweren würde etc.10)
Die kaiserlichen Kontrollen ließen alsbald wieder nach, bis 1608 Rudolf II. den Kommissaren anordnete, sie sollten mit »allem möglichen Fleiß« die »Visitationes fruchtbarlich wieder« aufnehmen, Zensur und Privilegien prüfen, nicht mehr nur noch zuzusehen oder zu gestatten, sondern »mit Hülf Bürgermeister und Raths zu Frankfurt, wo es die Nothdurft erfordert, die Confiscation neben weiterer Bestrafung sine respectu fürnehmen«. Rudolf II. bestimmte – gerichtet an die drei Bücherkommissare –, dass »künftig kein Buch gedruckt, oder im Heiligen Reich distrahiert werde, das nicht zuvor von der ordentlichen Obrigkeit, darunter die Buchdrucker seßhaft, censirt, zugelassen und verwilligt, wie ingleichen auf jedes der Autor, Drucker, und Ort, ohne Betrug, und ohne falsche List, gesetzet werde. […] Als wollen Wir daß ein jedweder Buchdrucker, Führer, oder Buchhändler, ehe und zuvor er sein Gewölb und Laden eröffnet, auch einiges Buch distrahiert, euch aller seiner Bücher einen Indicem vorweise, darneben glaublich anzeigen thue, wie und welchergestalt ihme solche Bücher zu drucken erlaubt, und da er darüber kein Kaiserliches Privilegium hätte, alsdann, unserer Kaiserlichen Reichs-Hof-Kanzley ein Exemplar zu überschicken, euch zustelle, und unweigerlich überreiche.«11)
Damit die Bücherkommission ihren Aufgaben leicht nachkommen konnte, war jeder die Frankfurter Messe besuchende Buchhändler verpflichtet, ehe er mit dem Handel begann, von jedem Buch ein Exemplar sowie eine vollständige Aufstellung aller Bücher mit den Druckerlaubnissen und Privilegien der Kommission zur Prüfung zu übergeben. Wenn ein confiscables Buch entdeckt wurde, wurde es dem Magistrat gemeldet, der es daraufhin prüfte und beschlagnahmte, entweder vorläufig oder – wenn der Stadtrat es auch für verboten erachtete – endgültig.12) In der Regel wurden die konfiszierten Bücher über Jahre eingelagert. Selten kam es zu Bücherverbrennungen, die in der Öffentlichkeit durch den Henker in Anwesenheit der Stadtoberen, des Militärs und der Tambours in einem förmlichen Spektakel durchgeführt wurden.13)
Die kaiserliche Bücherkommission durchsuchte die Gewölbe der Buchhändler, ließ sich einzelne Werke vorlegen und manche Auflagen durch die städtischen Behörden beschlagnahmen. All diese, wenn auch nur kurzfristigen Unterbrechungen des Geschäftsverkehrs waren für den Buchhandel von entscheidender Bedeutung. Wenn ein Buch auf der Frankfurter Messe14) wegen auch nur vorgeschobener Ungereimtheiten für einige Tage nicht lieferbar war, führte dies oft dazu, dass es erst ein halbes Jahr später – auf der nächsten Mese – wieder ausgeliefert werden konnte. Der im letzten halben Jahr hergestellte Warenvorrat musste möglichst gegen andere Bücher für den Sortimentsverkauf des kommenden halben Jahres verstochen werden. Auf der Messe galt Zeit als Geld. War ein Buch nicht zur Messe fertig oder konnte es aus einem anderen Grund nicht vertrieben werden, blieb es als totes Kapitel für ein halbes Jahr liegen.15) Wie bedeutsam der alsbaldige Absatz eingeschätzt wurde, zeigte sich beispielsweise bei der Zahlung der Löhne der Gesellen: Die Frankfurter Druckerordnung 1598 sah vor, dass der Großteil des Gesellenlohns halbjährlich nach der Messe ausgezahlt wird. In Köln war dies zumindest bei dem Drucker Quentel ebenfalls üblich.16)
Pflichtexemplare
Ein Aspekt bot dem Kaiser regelmäßig einen Grund, sich in den Buchhandel einzumischen: die Pflichtexemplare. 1570 hatte Maximilian II. von jedem von ihm privilegierten Buch fünf Exemplare gefordert. Diese wurden aber von den Privilegierten selten eingesandt, so dass der Kaiser seine Forderung änderte: zwei von jedem privilegierten und eines von jedem nicht privilegierten Buch. Kaiser Matthias forderte drei Exemplare der privilegierten Bücher. Ferdinand II. erhöhte die Zahl 1624 auf drei für die privilegierten sowie ein weiteres von jedem anderen für die kaiserliche Hofbibliothek. Ab 1643 versuchte auch der Mainzer Kurfürst für seine Bibliothek kostenlos Exemplare zu erwerben, indem er 1642 und 1643 zwei Patente erließ, wonach ihm als Erzkanzler des Reichs ein unwidersprechliches Regal zur Visitation der Bücher zustehe und ihm deshalb von allen im Messekatalog aufgeführten Büchern ein Exemplar geliefert werden müsse; dies ohne erkennbare Rechtsgrundlage. 1695 lautete die Forderung sieben Exemplare für privilegierte Bücher. Die kaiserliche Verordnung vom 10. Februar 1746 hielt fest, dass »dem bisherigen Herkommen gemäß von privilegierten Büchern fünf Pflichtexemplare zur Reichshofraths-Kanzlei, eins für des Kurfürsten zu Mayntz Liebben, als ErzCantzlern, und eins dem zeitlichen Bücher Commissario vor dessen mit denen Buchführern, Händlern und Druckern habenden Bemühungen; dagegen von den unprivilegierten Büchern eins Unserer Bibliothek, eins des Churfürsten von Mayntz Liebben und eins dem Bücher Commissario eingeliefert werden sollten«.17)
Die Buchhändler beachteten die Forderungen zumeist nicht, so dass dem Frankfurter Bücherkommissar nur vereinzelt Bücher übergeben und nach Wien gesandt wurden. Zwischen 1638 und 1648 wurden bestenfalls überhaupt in den Jahren 1640 und 1641 Pflichtexemplare abgegeben, laut Bücherkommissar Hörnigk kein einziges. Da die Buchhändler der Verpflichtung zur Ablieferung der Exemplare regelmäßig nicht nachkamen, obwohl hohe Strafen darauf standen, verhielten sie sich ständig rechtswidrig, auch wenn Sanktionen selten waren.18)
Kaiser gegen Frankfurt
<html><figure class=„rahmen medialeft“> </html>
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<figcaption class=„caption-text“>Ludwig v. Hörnigk</figcaption></figure></html>
In kleinen Schritten wurde die Territorialhoheit Frankfurts immer weiter untergraben. 1655 beschwerte sich der Frankfurter Rat beim Kaiser, dass die Bücherkommission ohne Zuziehung des ordinarii magistratus Frankfurts in Bücherangelegenheiten sogar Frankfurter Bürger verhöre, Strafen diktiere und exekutiere und anderes verfüge. Der Kaiser antwortete 1656, dass er nicht in die Befugnisse der Stadt Frankfurt eingreifen wolle, so lange diese seine Befehle achte. Frankfurt sollte jeden Befehl der kaiserlichen Bücherkommission unverzüglich und ohne Hinterfragen ausführen und, soweit die Betroffenen der Kommission nicht Folge leisteten, die zur Durchsetzung notwendige Unterstützung bieten. Der Kaiser müsse »mit ungnädigstem Mißfallen vernehmen, daß zur deren wirklichen vollständigen Exekution um deß willen noch zur Zeit nicht zu gelangen gewesen, weil theils Eure zum Buchhandel Deputirte obbesagtem Fiscal [Kommissar] die erforderliche Executionshülff nicht alle Mal gedeihen lassen, sondern die Sachen disputirlich gemacht und selbige zur Cognition vor Euch verwiesen und gezogen werden wollen. […] Also befehlen wir Euch hiermit nochmals gnädigst und ernstlich, daß Ihr zu gehorsamster Folg Unseres vorigen Kais. Befehls ermeltem Unseren Fiscalen und Bücher-Commissario Dr. Hörnigk auf jedesmaliges bloßen Ansuchen wider die Schuldhafftigen und Übertreter so sich denselben, als welchen Wir Unsere Kais. weitere Commission dißfalls sammt und sonders aufgetragen haben, in einige Weg widersetzen, oder in Leistung der Gebühr säumig erzeigen, die hülfreiche Hand ohne einige Verweigerung oder Einrede viel weniger neue Cognition oder Disput bietet, und Ihnen zu Vollziehung der dies Falls von Uns anbefohlenen Execution kräftig verhülflich seyet«19) Die Frankfurter reagierten wie zuvor, das heißt, sie widersetzten sich nicht oder nur halbherzig und hofften, dass irgendwann die Sache vergessen werde. Dies war allerdings nicht der Fall, und die Messe litt darunter.
Die Frankfurter Messe erwies sich trotz der Widrigkeiten als zählebig, verlor aber nach und nach an Bedeutung gegenüber der aufstrebenden Leipziger Messe. 1741, im Rahmen der Wahl des Wittelsbachers Karl Albrecht als Karl VII. zum deutschen Kaiser, wurde in einem reichsständischen Monito ausgeführt, dass »nicht nur die dem Bücher Kommissario überlassene Censir- und Konfiscirung der Bücher viele Klage verursachet, sondern auch, wie die Erfahrung lehret, durch sothanes Bücher-Commissariat der Buchhandel zu des Kaisers Eigenen, und der sonderlich nah gelegenen Reichsstände Nachtheil weggetrieben wird, als wäre der künftige Kaiser zu veranlassen, darüber des Reichs Gutachten zu erfordern.« In Art. II § 7 der Wahlkapitulation wurde festgehalten, dass der Kaiser »weder Unserem Reichs-Hofrath, noch dem Bücher Commissario zu Frankfurt verstatten« wird, bei der »Censir- und Konfiscierung derer Bücher, einem Theil mehr als dem anderen favorisiere«.20) So sagte zwar Karl VII. 1741 zu, die katholischen Schriften nicht gegenüber den protestantischen zu favorisieren, jedoch blieb ihm oder seinem habsburgischen Nachfolger ab 1745 keine Möglichkeit mehr zu einer wirksamen Änderung, denn die Frankfurter Messe hatte ihre Bedeutung verloren und der moderne Buchhandel war vollständig nach Leipzig abgewandert. Dem Kaiser war es nie gelungen, die kursächsische Bücherkommission unter seine Kontrolle zu bringen. 1750 wurde der Frankfurter Messekatalog eingestellt. Die Messe hatte für den Buchhandel nur noch die Bedeutung einer.21)
Leipzig
Für Kapp steht das Wirken der kaiserlichen Bücherkommission mit der Zensur, dem Streit um den Messekatalog, den Visitationen der Buchhändler und auch die Abgabe von Pflichtexemplaren an hervorragender Stelle unter den Faktoren, die die Büchermesse in Frankfurt zu Grunde richteten.22) Ferner werden von ihm die Verschiebung des Schwerpunktes der literarischen Produktion in die protestantischen Staaten sowie die Modernisierung des Handels, die Loslösung vom Messesystem genannt. Wittmann hingegen nennt als bedeutenden Grund die kriegerischen Ereignisse wie Franzoseneinfälle am Oberrhein und den spanischen Erbfolgekrieg für den Niedergang der Messe Frankfurt.23) Ergänzend kann man anführen, dass nach dem Dreißigjährigen Krieg die durch Deutschland laufenden Handelsströme sich verlagert hatten. Der Rhein war bis zum Dreißigjährigen Krieg »Hauptverkehrsader« des zwischen England und Mittelitalien liegenden Industriegebiets Europas.24) Nach dem Dreißigjährigen Krieg lag die Rheinmündung in den Vereinigten Niederlanden (Holland), die zu dieser Zeit die Weltmeere mit ihre Handelsflotte beherrschten. Frankfurt war für den deutschen Handel, der sich nach Osten verschoben hatte, nicht mehr so bedeutend. Venedig, Prag, Wien, Nürnberg, die Elbe, Hamburg, Schweden, Dänemark, Polen und Moskowien wurden bestimmender, und diese Warenströme liefen über Leipzig.25)
<html> <aside class=„betont-ausschnitt“>Privileg und Zensur — Verstöße wurden gemeinsam behandelt als Handel mit verbotenen Schriften.</aside> </html>
Aus Sicht der Obrigkeit ging es bei den Maßnahmen um die Frage, unter welchen Umständen Eingriffe in die Belange der Untertanen gerechtfertigt sind. Die Aufgaben der auf dem Bücherregal beruhenden Tätigkeit der Bücherkommission zeigen die Verbindung:
Beschlagnahmt wurden ärgerliche Schriften und solche, die die Privilegien missachteten. Dies wurde kaum unter dem Gesichtspunkt der Rechte des Einzelnen beurteilt, sondern aus einem rein hoheitlichen Interesse. Lohnte es sich, Personal damit zu beschäftigen, gegen den Nachdruck oder verbotene Schriften vorzugehen oder entstanden dem Staat dadurch mehr Kosten als Vorteile? Beides wurde gemeinsam behandelt als Handel mit verbotenen Schriften, wobei im einen Fall die Schrift wegen des Inhalts, im anderen Fall wegen Verstoßes gegen eine obrigkeitliche Anordnung in einem Privileg nicht vertrieben werden durfte.
Selbst Art. 18 d der Bundesakte des Wiener Kongresses 1815 nannte noch die „Preßfreiheit und die Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und der Verleger“ gegen den Nachdruck in einem Zuge. Aufgrund dieser traditionellen Verknüpfung der Zensur mit dem Nachdruckverbot dauerte es in Deutschland noch bis 1834, bis eine Trennung von geistigem Eigentum und dem Presserecht (Zensur) erreicht wurde. Das Nachdruckverbot war zwar vom Deutschen Bund 1819 schon weitgehend beschlossen. Jedoch verknüpfte der auch insoweit äußerst einflussreiche Metternich auf dem Wiener Kongress den Büchernachdruck und die Sicherstellung des literarischen Eigentums wieder mit Presseaufsicht und -zensur, so dass weitere Verhandlungen über die konkrete Umsetzung des Verbots folgten.26) Erst 1834 wurde in einer weiteren Wiener Konferenz der Artikel 36 für die Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes vereinbart:
Die Regierungen vereinbaren sich dahin, daß der Nachdruck im Umfang des ganzen Bundesgebiets zu verbieten und das schriftstellerische Eigenthum nach gleichförmigen Grundsätzen festzustellen und zu schützen sei.27)
Auf der 12. deutschen Bundesversammlung vom 3. März 1848 wurde schließlich folgender Beschluss gefasst: »Jedem deutschen Bundesstaate wird freigestellt, die Censur aufzuheben und Preßfreiheit einzuführen.«
Am 9. November 1837 hat die deutsche Bundesversammlung sich darauf geeinigt, dass literarische Erzeugnisse aller Art und Werke der Kunst ohne Einwilligung des Urhebers oder desjenigen, dem der Urheber seine Rechte übertragen hat, nicht vervielfältigt werden dürfen. Das Recht war übertragbar und vererblich und musste in sämtlichen Bundesstaaten mindestens für die Dauer von zehn Jahren gelten. Die einzelnen Bundesstaaten setzten diesen Beschluss im Lauf der nächsten Jahre um. Bereits 1845 wurde die Rechtsdauer auf dreißig Jahre über den Tod des Urhebers hinaus erweitert.
Ausblick
Bis dahin, einerseits Trennung der Zensur von dem Verbot des Nachdrucks, andererseits Konstituierung des schriftstellerischen Eigentums, mussten einige Schritte vollzogen werden.
- In keinem Staat gab es besondere Regelungen im Hinblick auf die Zulässigkeit des Kopierens von Schriften, so dass Buchdruck und -handel und das Exklusivrecht der Autoren in die allgemeine wirtschaftliche und rechtliche Entwicklung eingebunden waren und sich in das allgemeine System integrierten.
- In allen Staaten überlagerten sich auf Seiten des Staates das Interesse an der Zensur mit dem an der Ordnung und Förderung der gewerblichen Tätigkeit durch hoheitliche Ausschließlichkeitsrechte.
Das Thema wurde jedoch allgemein unter dem Titel Nachdruck der Bücher, nicht etwa Verletzung der Rechte der Autoren, behandelt und beginnt in England. Die ersten Gesetze über das geistige Eigentum, wie etwa das venezianische Parte presa nell' eccellentissimo Conseglio di Pregadi (Dekret über Privilegien für neue Bücher und Nachdrucke, 1603), das englische Statute of Monopolies (in Kraft seit 1624), das Statute of Anne (in Kraft seit 1710), sowie die darauf beruhende Gesetzgebung der Vereinigten Staaten, verfolgten in erster Linie gewerbepolitische, merkantile Ziele.
— Eckhard Höffner 2017/10/05 13:10