4 Deutschland – Staatenwettbewerb
4.2 Das Monopol und der Buchverlag
Thales wurde seine Armut zum Vorwurf gemacht, weil die Philosophie zu nichts nütze sei. ErThales pachtete daraufhin alle Ölpressen in Milet und Chios und konnte diese, als die Zeit der Ernte kam, seinerseits so teuer verpachten, wie er wollte.
Auf diese Weise soll also Thales einen Beweis seiner Weisheit geliefert haben. Es gehört aber, wie wir gesagt haben, überhaupt zur Erwerbskunst, wenn man sich auf diese Weise ein Monopol zu verschaffen mag.1)
Die Erkenntnis, dass der Monopolist die Preise diktieren kann, wurde von Aristoteles in der Politik im Abschnitt über den natürlichen und den künstlichen Vermögenserwerb2) schon dem ältesten bekannten griechischen Philosophen Thales zugeschrieben. Monopole haben eine Verteilungswirkung, indem sie Erwerbschancen einzelnen exklusiv zuordnen und diesen mehr Macht im Preiskampf verschaffen, als sie hätten, wenn die an der Leistung interessierten potentiellen Geschäftspartner Alternativen haben.
Im Mittelalter und der frühen Neuzeit wurden Monopole mit dem damals üblichen Rechtsetzungsinstrument, dem Privileg, hoheitlich erteilt. Das Klagen über die schädlichen Monopole war nach der Entdeckung Amerikas, dem Beginn der Inflation als Folge des steigenden Edelmetallzuflusses bei gleichzeitigem Stagnieren der Löhne, allgegenwärtig.3) Geholfen hat es ebensowenig wie die Versuche der Reichsstände, über Verbote die Macht der aufstrebenden Händler zu begrenzen.4) Die Reichspolizeiordnung (RPO) 1548 und die RPO 1577 gaben den Sachverhalt und die Rechtsfolge wieder: Unternehmer, Geschäftsleute hätten bestimmte Güter wie Korn oder Wein allein in ihre Hand bringen und so den Waren einen Preis nach ihrem Willen geben können. Wenn ein Kaufmann alles Korn der Region erwarb, musste die Bevölkerung entweder den hohen Monopolpreis zahlen, den der Kaufmann verlangte, oder hungern. Monopole würden dem Reich und den Ständen Schaden zufügen; sie waren deshalb verboten und wurden – auf dem Papier – schwer bestraft. In der RPO 1548 (18 1) wurde festgehalten, dass die Satzungen, Abschiede und Verbote bislang gar nicht vollzogen worden seien, sondern seit einigen Jahren »viel grosse gesellschafft/ in kauffmanns geschefften/ auch etliche sonderbare personen/ handtierer und kauffleut im Reich auffgestanden« seien. Ähnliche Beschlüsse wurden bereits im Trier-Kölner Reichsabschied 1512 oder etwa auf dem Reichstag zu Worms 1522 gefasst.5)
In die Praxis umgesetzt war diese Erkenntnis nicht. Verbiete man die Handelsgesellschaften oder die Monopole, so liefere man den Handel und seinen Gewinn den Fremden aus und vernichte das inländische Gewerbe, lautete der Einwand.
Die Fürsten forcierten die Monopole aufgrund der damit verbundenen Einnahmemöglichkeiten sogar, indem sie diese verkauften.6) So war die (zusätzliche) Erteilung exklusiver Rechte an der Tagesordnung, bei dem deutschen Kaiser, denLandesfürsten, der englischen Krone usw. Dabei war der Übergang zwischen einer Befreiung von einem allgemeingültigen Verbot und der Einräumung eines Sonderrechts fließend. In dem Gesamtorganismus des Staates nahmen die Stände gesellschaftliche Funktionen wahr, während ihnen andere Tätigkeiten untersagt waren. Wenn einer Stadt, Gemeinschaft, Zunft oder Person ein ausschließliches Recht eingeräumt werden sollte, geschah dies über die als Ausnahmeregelung gedachten Privilegien. Sie waren ein Steuerungsinstrument, das gezielt auf persönliche, sachliche oder politische Gegenstände individuell angewandt werden konnte.7) Die Privilegien gewährten als Rechtsetzungsakt typischerweise dem Bedachten ein vom allgemein Geltenden abweichendes Sonderrecht. Es war eine subjektive Sonderberechtigung, die zugleich ein objektives Sonderrecht enthielt.8) Der individuell Privilegierte (oder die privilegierte Gruppe) konnte als sein subjektives Recht die Behandlung nach der für ihn geltenden objektiven Bestimmung verlangen.9)
4.2.1 Städtischer Außenhandel
Privilegien waren ein typisches Mittel der wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die sich aus dem Handel- und Gewerbesystem der Städte entwickelt hatten. Was die Städte und die dort gewerblich tätigen Bürger im Kleinen praktizierten, erweiterten die immer mehr auf finanzielle Mittel angewiesenen Landesfürsten auf das Staatsgebiet. Diese auf ein größeres Territorium ausgedehnte Wirtschaftspolitik der Stadt war daher die Grundlage des Merkantilismus.10)
Vorbedingung Handel
Im neunten Jahrhundert war Europa ein dünn besiedeltes Gebiet, bestehend aus einigen Ansiedlungen kleiner feudaler Ortschaften, getrennt durch lange Strecken von Wildnis. Mit dem Verfall des Byzantinischen Reichs kam der Handel mit Konstantinopel weitgehend zum Erliegen. Der Levantehandel wurde unmittelbar zwischen Italien und den südöstlichen Häfen des Mittelmeers abgewickelt. Außerhalb Italiens und den islamischen Gebieten Südspaniens waren Städte praktisch nicht existent. Die Felder waren einem Lehnsherrn, der zugleich grundlegende staatliche Funktionen (Beschützer, Richter und Führer) ausübte, oder einer Dorfgemeinschaft zugeordnet und wurden zumeist von den Bauern gemeinsam bestellt.11)
Verträge und das staatlich garantierte Eigentum waren dem feudal und von persönlichen Beziehungen geprägten Recht des Mittelalters fremd. Die Produktion für den Eigenbedarf in kleinen Gemeinschaften und die Verteilung auf der Grundlage der Reziprozität prägten die wirtschaftlichen Beziehungen. Es gab wenig Handel zwischen den Gemeinschaften und wenige Güter, die über längere Strecken transportiert wurden.
Nur italienische Städte pflegten weiterhin Fernhandel. Die seit den Kreuzzügen in Westeuropa bekannten orientalischen Kostbarkeiten aus den arabischen Regionen breiteten sich von den norditalienischen Städten über die Alpen nach Norden aus. Nördlich der Alpen gab es im 12. Jahrhundert Kaufmannsgilden für den Fernhandel, die vom Kaiser teils mit Vorrechten wie der Zollbefreiung ausgestattet waren.12) Der Handel auf der Nord- und Ostsee mit einfacheren Gütern wie Nahrungsmitteln, Teer, Flachs oder Wachs wurde von einer Organisation von Kaufleuten, der mächtigen Hanse, beherrscht. Korn, Salz, gesalzene Fische, Leder, Wolle und Wollkleidung, Erze etc. blieben bis in das 16. Jahrhundert hinein die Haupthandelsgüter im Norden Europas.13) Die Hanse, als private Vereinigung von Kaufleuten zum Schutz vor Räubern und Piraten auf den Handelswegen entstanden, ist wohl die bekannteste deutsche Gilde. Die Hanse mündete im 13. Jahrhundert in überregionalen Bündnissen der Hansestädte, die die Handelsprivilegien im Interesse ihrer Kaufleute koordinierten.
Aus einem Zusammenspiel von Handel, der Anwendung neuer Techniken, aber auch einem Überschuss der Nahrungsmittelproduktion der näheren Umgebung (der verkauft wurde),Die Verbreitung von Zahlungsmitteln führte zu einer vollständig geänderten Bewertung der Güter der auf Selbstversorgung ausgerichteten Domänenwirtschaft. bildeten sich zwischen diesen Handelsimperien entlang den von den bewaffneten Kaufmannskarawanen benutzten Handelsrouten Ansiedlungen von Krämern und Handwerkern. Zu Beginn waren dies neben den Hafenstädten die verkehrsgünstig gelegenen Orte an der Donau, wie Wien oder Regensburg, und am Rhein (Köln, Straßburg). Die meisten neuen Städte entstanden zwischen 1200 und 1400.14)
Neue soziale Gestaltung
Die Stadt war eine neue soziale Gestaltung für die mittelalterliche Region Europas. Sie war ein über einen langen Zeitraum gewachsenes, ineinander verflochtenes und miteinander verbundenes System von Personen aus unterschiedlichen Ständen und Berufsgruppen, ein eigener Mikrokosmos, eine rege, fleißige Gemeinschaft, die gierig alle Güter aus dem Umland aufsog, die sie brauchen konnte. Die Stadt war eine neue soziale Gestaltung für die mittelalterliche Region Europas. In den frühen Städten entstand eine handwerkliche und Handel treibende Wirtschaft, die über die Produktion von Nahrungsmitteln, Kleidung, Gebäuden, Waffen und Hilfsgütern, wie Werkzeuge, Gefäße und Mühlsteine, hinausging.
Aus welchen Bevölkerungsschichten sich die frühen Kaufleute in Mitteleuropa rekrutierten, ist nicht klar.15) Es waren zunächst wohl Unfreie, deren Schollengebundenheit aber nicht nachgewiesen werden konnte. Sie galten als Freie und konnten so einen eigenen Stand neben dem Klerus, dem Adel und den Bauern gründen, aus dem sich das städtische Bürgertum entwickelte. Die Gemeinschaften erhielten oder erkämpften sich für ein bestimmtes Gebiet das Marktrecht und weitere Freiheiten.16) Das Recht, Märkte zu begründen, beanspruchten in steigendem Maße außer dem König auch die territorialen Landesherren.
Wollte der Kaiser einer Stadt ein Marktrecht erteilen, so schickte er diesem Ort ein Zeichen, seinen Handschuh. Dieses Zeichen war verbunden mit dem Recht einer selbständigen polizeilichen Aufsicht und einem Ordnungsrecht für alle Handels- und Gewerbeangelegenheiten und in den meisten Fällen mit dem Recht auf den Geldwechsel. Sobald der Markt eröffnet war, wurde am Turm oder Stadttor ein Kreuz, eine Fahne oder ein Schild mit dem Handschuh als Zeichen für die Geltung des Sonderrechts aufgestellt.17) Mit der Verleihung des Marktrechts übernahm der Kaiser die Verpflichtung zum Schutz des Marktes und der Teilnehmer und gewährte den Hin- und Zurückreisenden innerhalb einer bestimmten Zeit und bestimmter Grenzen freies Geleit, oft auch Zollfreiheit. Sicherheit vor Räubern oder willkürlichen Territorialherren besaß für den Handel einen erheblichen Stellenwert. Schon der erste internationale Handelsvertrag der westlichen Geschichte (796) zwischen dem Frankenkönig Karl der Große und dem englischen König Offa (König von Mercia) sicherte den Kaufleuten der Vertragspartner Rechtsschutz und einen Gerichtsstand beim König zu.18)
Die Zeit der zahlreichen Neugründungen von Städten endet in etwa mit der Großen Pest im 14. Jahrhundert.19) Das von Westeuropäern besiedelte Gebiet vergrößerte sich von diesem Stand bis in das 18. Jahrhundert nur wenig. Im alten deutschen Reich bildeten sich rund 3000 kleine Dörfer, die Stadtrecht verliehen bekamen.20) Unter diesen waren einige Freie und Reichsstädte, die keinem Regionalfürsten, sondern nur dem Kaiser untergeordnet waren.21)
Rechtssetzungsmacht
Als diese Gewerbe entstanden, war das Interesse der Fürsten am Wirtschaften der Bürger noch relativ gering. Die Institutionen der agrarischen und naturalwirtschaftlichen Gesellschaft waren für den Handel und die am Gewinn orientierte Geldwirtschaft ungeeignet.22) Das staatliche Reglement, die Bürokratie und das Beamtentum als notwendige Mittel zur Steuerung des Gewerbes eines Landes kamen erst mit dem Absolutismus auf, so dass der Herrscher als regelnde, rechtsetzende Institution bei der Entwicklung des städtischen Gewerbes und Handels nahezu wirkungslos war. Die Fürsten reagierten oft nur darauf, dass etwa beschwerlicher Schulden halber vielfältige Klagen einzelner Bürger auf sie zukamen, die irgendwie durch Urteile geklärt werden mussten. Sie überließen aber vieles den lokalen Gemeinschaften, die ihre eigenen Regeln schufen.
Die größere Autonomie zur Regelung der eigenen Angelegenheit galt nicht nur für die Stadt, sondern auch für die Menschen: Stadtbewohner waren Freie im Gegensatz zu der an die Scholle gebundene Landbevölkerung. Betrat man eine Stadt, wandelte sich das Recht, so wie bei einem Grenzübertritt. So konnte beispielsweise der Rat der Stadt Frankfurt – unter Hinweis darauf, dass die Regelung aus dem Jahr 1509 und die späteren Statuten unzureichend seien – ein eigenes Gesetzbuch erlassen, in dem etwa Prozess-, Vertrags-, Gesellschafts-, Ehe-, Erb- oder Vormundschaftsrecht geregelt wurden.
Die neue Schicht konnte sich weitgehend ungehindert von hoheitlichem Einfluss entwickeln und eine auf die eigenen Bedürfnisse abgestimmte Organisation schaffen, was sich auch im Recht mit einem andersartigen Eigentumsverständnis und den ersten Ausprägungen der örtlich begrenzten Monopole zeigte. Die frühkapitalistische Eigentumsordnung der Städte unterschied sich von dem grundherrschaftlichen Verständnis, nach dem mit dem Grundeigentum Rechte und Pflichten verbunden waren. Pflichtenfreies Grundeigentum (Allod) gab es auf dem Land nur in Ausnahmefällen. In den Städten wurde das Eigentum als das den Handel und das Gewerbe begleitende Recht verstanden, das insbesondere den Handelsverkehr, den unbelasteten und damit reibungslosen Tausch gegen Geld zuließ. Was der Handwerker mit seiner Arbeit erschuf, war selbstverständlich (auch ohne Lockes Arbeitstheorie) sein Eigentum (was übrigens auch für leibeigene Bauern mit eigenem Gut galt, die – im Gegensatz zum Gesinde – den Ertrag behalten durften, allerdings Zins, Frohndienste oder ähnliches leisten mussten). Allerdings hatte dieses Eigentum an den beweglichen Gegenständen im Vergleich zum Boden keine besondere Bedeutung Auch der gerechte Preis verlor gegenüber der Vertragsfreiheit an Bedeutung.23)
Zufluss der Güter
Städte organisierten das rechtliche System so, dass ihre Bevölkerung mit Rohstoffen für den persönlichen Bedarf oder als Material für die gewerbliche Produktion beliefert wurde. Das städtische Außenhandelssystem (mit dem Umland) war eine Reaktion auf die aus der Arbeitsteilung folgende Gefahr, nicht mit dem Notwendigen zu günstigen Preisen versorgt zu werden. Die Orientierung am Gewinn forderte die Produktion eines veräußerbaren Überschusses. Städte konnten Waren liefern, die über die Nahrung, Kleidung und einfachste Werkzeuge hinausgingen. Die Bevölkerung war umgekehrt existentiell von den Lebensmittellieferungen Arbeitsteilungaus dem Umland abhängig und die gewerbliche Produktion auf die Zufuhr von Rohstoffen angewiesen.24) Die Versorgung größerer Städte wie Paris oder London – kein Kühlsystem, nur wenige Konservierungsmittel – war ein besonders verwickeltes Problem. Venedig importierte bereits im 15. Jahrhundert Rinder aus Ungarn, und die Versorgung der größten Stadt des 16. Jahrhunderts, Istanbul, setzte eine hart durchgreifende Regierung voraus, damit es, abgesehen von Missernten, nicht auch noch aus merkantilen Interessen mächtiger Kaufleute zu Versorgungsengpässen, Teuerungen oder sogar Hungersnöten kam.25)
In diesem Zusammenhang sind die Regelungen zur Steuerung der Warenströme (der städtische Außenhandel) zu sehen, etwa das Verbot der »auffkäuff«, dem Aufkauf aller Güter eines bestimmten Typs, oder die Stapelrechte, die fahrende Händler verpflichteten, ihre Waren für einige Zeit in einer Stadt zu stapeln und zum Verkauf anzubieten. Den Kaufleuten wurde in der stadtnahen Zone das Ankaufen von Nahrungsmitteln untersagt (Verbot des »vorkauffs«), so dass die Bauern oder Fischer der Umgebung Weizen, Lebendvieh, Fische oder Wein nur in der nächstgelegenen Stadt verkaufen konnten.
Absatz der Waren
Den Absatz der in der Stadt produzierten Güter sicherte man, indem die Bevölkerung auf dem platten Land in einem möglichst weit gezogenen Umkreis gezwungen war, sich in der Stadt mit gewerblichen Erzeugnissen zu versorgen. Dies war Gegenstand des städtischen Bannrechts, dem Verbot der gewerblichen Tätigkeit auf dem Land.26) Das Verbot, einen Markt- oder Handelsplatz außerhalb der Stadt zu errichten, lenkte zusätzlich den Handelsverkehr der regionalen Produktion in die Stadt, die mit dem Privileg für einen Markt oder eine Messe ausgestattet war. Leipzig erhielt beispielsweise 1507 von Maximilian I. eine Bestätigung seiner drei Messen (Jubilate, Michaelis und Neujahr) sowie neben dem Reichsmesseprivileg erweiterte Rechte der Niederlage (Warenlager) und des Stapels, indem »kein Jahrmarkt, Messe oder Niederlage inner fünfzehn Meilen gerings um die obbestimmte Stadt Leipzig soll ausgerichtet und gehalten werden«.27) Ältere Vorrechte des in der Nähe liegenden Erfurts wurden aufgehoben.28) Die Händler erhielten freies Geleit auf dem Weg zu und von den Messen, durften Leipzig nicht umgehen und mussten ihre Ware dort drei Tage zum Verkauf anbieten und verzollen. Solche Vorrechte waren hart, oft jahrzehntelang umkämpft; und die Fürsten ließen sie sich in der Regel teuer bezahlen.
— Eckhard Höffner 2018/05/25 15:52