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~~CLOSETOC~~

4 Deutschland: Staatenwettbewerb

4.3 Wertloses Recht?

Die Gesamtdarstellungen zur Entwicklung des Urheberrechts in Deutschland gehen davon aus, dass im 18. Jahrhundert die Meinung, der Nachdruck müsse unterbunden werden, herrschend war. Jedoch hätten die Rechtswissenschaftler und die staatlichen Kanzleien Schwierigkeiten bei der Ausgestaltung gehabt und keine geeignete Konstruktion gefunden, so dass erst 1835 gesamtdeutsche Grundsätze verabschiedet worden seien.1) Daran sind Zweifel angebracht. Eine rechtliche Konstruktion, den Nachdruck ohne Privileg zu unterbinden, hatten die Buchhändler schon im 17. Jahrhundert ausgearbeitet. Sie wurde jedoch nicht umgesetzt.

Bei einem Vergleich der Entwicklung der Staaten Deutschland, England und Frankreich und der Suche nach den Parallelen fällt ins Auge, dass in Frankreich und England der Buchhandel in Gilden organisiert, örtlich stark konzentriert war. Spätestens zu Beginn des 17. Jahrhunderts gab es das Nachdruckverbot. Die britische Buchhändlergilde entwickelte das Copyright, um die ökonomischen Chancen im Zusammenhang mit dem Buchhandel unter den Gildenmitgliedern aufzuteilen. Vergleichbare Methoden, den Markt zu segmentieren und zu verteilen, konnten auch im deutschen Zunftwesen festgestellt werden. Es wurden für einzelne Wirtschaftsgüter unterschiedliche Methoden der Aufteilung gefunden, die sich am Absatzgebiet des jeweiligen Guts orientierten. Im deutschen Buchhandel fehlten diese Merkmale. Der Buchhandel war weder zünftig organisiert, noch gab es ausschließliche Rechte für bestimmte Werke. Wieso wurde beispielsweise die französische Praxis, mit der zensurrechtlichen Druckerlaubnis zugleich ein Privileg zu erteilen, nicht übernommen?

In diesem Abschnitt geht es um die Frage, wie das Eigentum an körperlichen Gegenständen als Rechtsinstitut begründet wird, also insbesondere darum, welche Vorteile das Eigentum im Gegensatz zum Kollektiveigentum haben soll. Sodann geht es um die Frage, welche Voraussetzungen für das Entstehen des geistigen Eigentums sich feststellen lassen. Schließlich wird untersucht, wieso der Nachdruck im Heiligen Römischen Reich erlaubt war.

Allerdings ist aufgrund der Sekundärliteratur zum Urheberrecht noch eine weitere Frage zu klären. In der deutschen Urheberrechtsgeschichte wird der Eindruck vermittelt, dass das Urheberrecht deshalb nicht vor dem Ende des 18. Jahrhunderts entstanden sei, weil die Menschen nicht in der Lage gewesen wären, entsprechende Regelungen zu erlassen. In Deutschland soll das Eigentum!geistiges –geistige Eigentum als gesondertes Recht bis in die letzten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts hinein unbekannt gewesen sein. Deshalb wird zunächst dargelegt, dass man im 17. Jahrhundert genau zwischen dem Recht am geistigen Werk und dem körperlichen Eigentum am Buch oder Manuskript zu unterscheiden vermochte. Regelungen, die dem Autor die Teilhabe am Erfolg einer von ihm verfassten Schrift gesichert hätten, sind nicht am Unvermögen, entsprechende Regelungen zu gestalten, gescheitert. Bestimmungen zum geistigen Eigentum wurden vielmehr erst ab Erreichen einer minimalen Marktgröße erlassen.

4.3.1 Eigentum und Nachdruck

4.3.1.1 Sacheigentum

Die Gesellschaft ordnet Personen im Hinblick auf äußere Gegenstände und Umstände unterschiedliche Rechte zu. Dies betrifft nicht nur die konkreten Sachgüter wie Grundstücke, Früchte, Tiere und Sachen, sondern »soziale und ökonomische Chancen aller denkbaren Art«.2) Die Schließung der Gesellschaft wird von Weber auf Chancen jeder Art angewandt, bspw. auch auf die berufliche Entfaltung, indem durch Zulassungsvoraussetzungen (Bildungspatente) offene Tätigkeiten in ihrer Zugänglichkeit für die Allgemeinheit beschränkt (geschlossen) werden. Werden solche Chancen den Einzelnen oder Gruppen dauernd und relativ oder völlig unentziehbar zugeordnet (appropriiert), so nennt Weber diese Chancen aufgrund der genannten Eigenschaften Rechte.3) Gehen die Rechte im Todesfall des bisherigen Inhabers auf mit diesem Verbundene (Verwandte, testamentarisch Bedachte etc.) über, so handele es sich um Eigentum. Das so definierte Eigentum zeichnet sich also dadurch aus, dass es über den Todesfall hinaus appropriiert und folglich die Allgemeinheit auf Dauer ausgeschlossen ist. Ist das Eigentum außerdem noch veräußerlich, so wird dies von Weber freies Eigentum genannt.4) Diese Eigentumsdefinition entspricht in Grundzügen dem in der Theorie der Property Rights verwendeten Ansatz (sieht man von der Vererblichkeit ab), da es nicht auf den zivilrechtlich definierten Gegenstand, sondern auf rechtliche Ausgestaltung ankommt.5) Die Strukturmerkmale sind das exklusive Nutzungsrecht, die Verfügungsbefugnis, unter Umständen auch die Internalisierung externer Effekte.

Effizienz von Eigentum

Einige Beiträge zur ökonomischen Analyse des Rechts befassen sich mit der Frage, wieso das Eigentum oder ein vergleichbares Recht zu einem bestimmten Zeitpunkt entstanden ist. Es werden archaische Gesellschaften6) betrachtet, die Güter, die zuvor niemanden oder einer Gemeinschaft als Gemeineigentum (öffentliches Gut) gehörten, privatisieren und so einer effizienteren Nutzung zuführen. So wird der Übergang vom Jagen und Sammeln zu Ackerbau und Tierzucht genutzt, um bestimmte Zwangsläufigkeiten zu behaupten oder zu belegen, denen ähnlich naturwüchsige und unumstößliche Wesensmerkmale beigemessen werden, wie sie auch an anderer Stelle zu finden sind, wenn die Urgesellschaft betrachtet wird.

Zentrale Aspekte sind der Investitionsschutz, die Trittbrettfahrerproblematik und die Übernutzung des Gemeineigentums, deren Probleme durch die Begründung von Ausschließlichkeitsrechten behoben werden würden.

Der Zustand der frühen Menschheitsgeschichte zeichnet sich durch das Fehlen des Eigentums im rechtlichen Sinne aus. Den eigentumsfreien Naturzustand beschrieb Ferguson 1767 als die Menschheit in ihrem rohesten Zustand, einen Zustand der Wilden.7) Außer an den Gegenständen, die die Menschen am Körper tragen, und dem Schlafplatz gab es kein Eigentum. Die Nahrung für den nächsten Tag lebte noch verborgen im Wald oder in einem See und konnte nicht angeeignet werden, ehe sie gefangen war.8) In dieser Zeit waren alle Gegenstände herrenlos, außer denen, die der Einzelne in unmittelbarem Besitz hatte. Das wirtschaftliche Streben der Menschen beschränkte sich auf die Beschaffung eines nach Art und Umfang fest umrissenen naturalen Bedarfs an Gebrauchsgütern (Bedarfsdeckung), noch nicht auf den Gewinn.

North befasst sich mit der Frage, wie die Urgesellschaft reagiert, wenn die nutzbaren Güter (jagdbare Tiere oder sammelbare Pflanzen) knapp werden. Er wendet das volkswirtschaftliche Modell der Tragik der AllmendeAllmende auf die noch nicht appropriierten Güter an. Der unbeschränkte Zugang zu den in Siedlungsnähe lebenden Tieren und sammelbaren Pflanzen habe die ineffiziente Nutzung der Umgebung zur Folge. Die Menschen würden die Ressource so intensiv nutzen, dass der biologische Bestand an Früchten und Tieren unter das Niveau sinkt, das regelmäßig erreicht werden muss, um fortgesetzte Ernten zu ermöglichen. Dies führe dazu, dass ein Produktivmittel übermäßig genutzt und dadurch sein Fortbestand gefährdet werde. Die Gut, würde infolge von kulturellen oder eigentumsrechtlichen Unzulänglichkeiten bestimmte Folgen (gesamtwirtschaftlich als Kosten oder Aufwand umschrieben) außer Acht lassen.9) Weil beispielsweise mehr Holz in einem Wald geschlagen wird, als nachwächst, kommt es mit steigender Nutzung zur Erschöpfung des Bestandes. Würde man ein Eigentumsrecht am Grund und Boden oder ausschließliche Jagd- und Sammelrechte begründen, würde der Eigentümer aus Eigeninteresse dafür sorgen, dass längerfristig Ernten mit möglichst hohem Ertrag erreicht werden. Im Interesse eines dauerhaft hohen Ertrags werden also mit Ausnahme des Inhabers des ausschließlichen Rechts alle von der Nutzung der Ressource ausgeschlossen.

Die Anwendung des Modells der Tragik der Allmende auf die Zeit der Jäger und Sammler ist allerdings konstruiert.Im Modell der Tragik der Allmende ist das Regenerieren von herausragender Bedeutung, denn insbesondere bei den regenerierenden Mitteln gibt es eine optimale Nutzungsintensität (Beispiele wie Abholzung der Wälder, Überfischung der Meere, Jagd auf wildlebende Tiere etc. gibt es genügend). Die Modelle werden dementsprechend mit nachwachsenden Naturbeständen (Ackerland, wildlebende Tiere, Fischbestände, Naturschutzparks) gebildet und die Erkenntnisse aus dem Modell dann verallgemeinert.10) In der Subsistenzwirtschaft geht es nicht um Gewinn, sondern um die Deckung des Naturalbedarfs.11) Kein Mitglied versucht, größere Mengen an Früchten als zur Deckung des Bedarfs erforderlich zu sammeln, weil sie verderben. Wenn die vorhandenen Nahrungsmittel unter diesen Umständen nicht ausreichen, also nicht mehr für alle hinreichend Nahrung gesammelt und gejagt werden kann, nützen Eigentumsrechte am Grund und Boden nichts, denn durch das Eigentum wachsen auch nicht mehr Früchte oder Tiere im Wald. Die Übernutzung ist das Ergebnis der Deckung des für die Subsistenz Notwendigen, deren Menge von der Bevölkerungsgröße abhängig ist. Das Ausschließlichkeitsrecht regelt lediglich den Konkurrenzkonflikt, wer in welchem Maß vorhandene Güter nutzen darf. Es führt in dieser Konstellation deshalb nur zu einer anderen Methode der Auslese, die ansonsten die schlechte Ernährungslage bewirken würde. Es galten dann malthusianische Prinzipien. Das heißt, die Bevölkerung wächst schneller als die Nahrungsmittelproduktion. Die Bevölkerungsexpansion führt zu zu einer Verschlechterung der Ernährungssituation, bis der Ernährungszustand derart schlecht ist, dass positive Wachstumshemmnisse wie Krankheiten oder Hungersnöte zu einem Anstieg der Mortalitätsrate führen und die Bevölkerung wieder abnimmt.12)

Der Ausweg lag nicht in der Begründung von ausschließlichen Jagd- und Sammelrechten, sondern im Übergang zur sesshaften Landwirtschaft und Tierzucht, also einer anderen, besseren Produktionsmethode.13) Allerdings setzt diese Änderung der Produktionsmethode zweierlei voraus:

  1. Die neue Methode – Innovation – muss entwickelt werden. Man muss wissen, wie man Pflanzen anbaut, dass man im Frühjahr sät usf.
  2. Außerdem muss jemand säen oder die Tiere züchten, also Arbeit, Zeit, Saatgut, Zuchttiere und Futtermittel aufwenden (Arbeit und Investitionen).

In diesem Zusammenhang tritt die Trittbrettfahrerproblematik in Erscheinung. Als Trittbrettfahrer werden Individuen bezeichnet, die sich nicht an den Kosten der Erzeugung von öffentlichen Gütern (Kollektivgütern) beteiligen, aber trotzdem von den öffentlichen Gütern profitieren.14) Vor allem in der neuen Institutionenökonomik ist das Bild des egoistischen und den eigenen Nutzen maximierenden Menschen von Bedeutung. Das Menschenmodell nutzt – skrupelloser als jedes Raubtier – alle Möglichkeiten aus, sich und seine Familie zu bereichern. Diesem Bestreben muss zum einen durch das Gesetz Grenzen gesetzt werden, um Schäden Dritter zu verhindern. Zum anderen soll der Handlungsantrieb nach der neuen Institutionenökonomik durch geeignete rechtliche Institutionen in Bahnen gelenkt werden, die sicherstellen, dass das Streben nach persönlichem Vorteil zugleich zu einem gesamtwirtschaftlichen Vorteil führt.

Wenn die Wirtschaftssubjekte die Möglichkeit haben, den Nutzen eines Gutes zu erlangen, ohne dafür bezahlen zu müssen, ziehen sie diesen Weg vor. Trittbrettfahrer ernten, ohne gesät zu haben, während der, der gesät hat, keine angemessene Belohnung für seine Arbeit erhält. Der durchschnittliche Mensch ist nicht geneigt, für fremde Bedürfnisse zu arbeiten, wenn er dadurch nicht die Mittel zur Erfüllung eigener Bedürfnisse erlangt.15) Die Bereitschaft, Güter zu produzieren, sinkt mangels angemessener Belohnung. Die Gemeinschaft sucht deshalb Mittel, um die Trittbrettfahrer zur Beteiligung an der Produktion zu bringen. Eines der Mittel ist das Ausschließlichkeitsrecht, also das Verbot, auf Kosten fremder Leistungen zu leben (schmarotzen).

Bei dem erjagten Tier fanden Arbeitsleistung und Appropriation noch gleichzeitig statt. Die Trittbrettfahrer konnten nicht dort ernten, wo andere gesät hatten. Bei Tierzucht oder beim Ackerbau fallen Arbeitsleistung und Ernte jedoch auseinander. Solange kein Ackerbau betrieben wurde oder eine andere Bewirtschaftung des Bodens stattfand, bestand kein Anlass, Ausschließlichkeitsrechte am Grund einzurichten. Erst mit der Tierhaltung begann die Zeit, in der nicht nur das erjagte, sondern auch das verschonte Tier als Eigentum betrachtet wurde, so Hegel.16) Er bezeichnet die Tierzucht als ein Beispiel für eine »Formierung« (eine Methode, Eigentum an herrenlosen Sachen zu begründen). Einen vergleichbaren Schluss legen auch Lockes Wendungen produced by the »spontaneous hand of nature« der der »unassisted nature« nahe, denn wenn ein Feld bestellt oder eine Herde gezüchtet wird, handelt es sich nicht mehr um eine frei von menschlichem Einfluss entwickelte Natur. Mit der Landwirtschaft und der Tierzucht wurden kulturelle oder institutionelle Mittel erforderlich, um das Trittbrettfahrerproblem in den Griff zu bekommen. Eigentum ist ein Ausschließlichkeitsrecht, das den Wechsel von der extensiven zur intensiven Bewirtschaftung möglich machte, indem es die Investition vor Trittbrettfahrern schützt.

Ineffizienz von Eigentum

Die Theorie beruht auf der Annahme, dass das Eigentum kein Selbstzweck ist, sondern dass die Gemeinschaft einzelnen Akteuren ein exklusives Recht auch im Interesse der von der Nutzung der Ressource ausgeschlossenen Mitglieder einräumt. Der höhere Ertrag kommt mittelbar auch den Ausgeschlossenen zugute, da der Inhaber den höheren Ausstoß nicht allein verbraucht, sondern auf dem Markt den anderen Mitgliedern anbietet. Werden alle Ressourcen optimal bewirtschaftet, steigt der Gesamtertrag zum Wohl der Gemeinschaft, während der Preis durch den Wettbewerb niedrig gehalten wird.

<html> <aside class=„betont-ausschnitt“>Der Großteil ungenutzter landwirtschaftlicher Flächen wurde nicht genutzt, weil es Privateigentum war.</aside> </html>

Dies ist aber nur die eine Seite des Problems der Güterproduktion. Das Ausschließlichkeitsrecht als Mittel des staatsfernen Marktes ist nicht immer eine geeignete Methode, da es unter anderem auch auf das begrenzte Budget der Konsumenten ankommt, die den Überschuss nunmehr auf dem Markt erwerben müssen. Die Grenzen der Ansicht, Eigentum und Markt seien das geeignete Mittel für eine effiziente Produktion, zeigt die Nahrungsmittelproduktion. Im 18. Jahrhundert wuchs in ganz Europa die Bevölkerung. Trotz verbreiteten Nahrungsmittelmangels und überschüssiger Arbeitskräfte wurden viele Flächen nicht genutzt. Die Großgrundbesitzer bewirtschafteten nur ihre ergiebigen Flächen. Die Folge waren stark ansteigende Getreidepreise und Hunger. Wie Abel darstellt, lag um 1700 ein bedeutender Anteil der landwirtschaftlichen Flächen in ganz Europa aber noch als Ödland, Heideflächen, Sumpf oder Moor brach.17) Quesnay stellte um die Mitte des 18. Jahrhunderts fest, dass die eine Hälfte der anbaufähigen Fläche Frankreichs gar nicht, die andere Hälfte unzureichend bewirtschaftet wurde. In Frankreich war aber praktisch das gesamte Land in privaten Händen. Der große Teil der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen blieb nicht ungenutzt, weil es Gemeineigentum war, sondern weil es Privateigentum war. Die oft sehr kleinen Allmendeflächen wurden wenigstens genutzt, wenn auch möglicherweise zu intensiv. Das Problem waren die großflächig brachliegenden Gebiete im Eigentum der Großgrundbesitzer. Kleinbauern hatten nach einer oder zwei Missernten das Land verlassen, weil ihre Parzellen zu klein waren, um für ein hinreichendes Einkommen zu sorgen.18) Sie wurden – ähnlich wie in Ostdeutschland im 19. Jahrhundert – von den Großgrundbesitzern aufgekauft. Die Grundstücke wurden also im Hinblick auf den Gesamtertrag nicht optimal, sondern überhaupt nicht oder nur in geringem Ausmaße genutzt, weil die unzureichende Nutzung aus Sicht des Eigentümers die wirtschaftlichste Verwendung der Ressource war.

Der Wechsel von der extensiven zur intensiven Bewirtschaftung hing offenbar nicht nur vom Privateigentum ab. Ein Ausschließlichkeitsrecht führt bei gleicher Nutzungsart zunächst nur zu einer für die Eigentümer vorteilhaften Verteilung der gleich hohen Erträge. Sehr oft blieb landwirtschaftliche Fläche in Privateigentum ungenutzt, in anderen Fällen wurde auf Viehwirtschaft umgestellt, weil die Viehwirtschaft einen finanziell höheren Ertrag abwarf, jedoch deutlich weniger Lebensmittel als beim Feldbau produziert wurden. Letztlich hat das Modell der Tragik der Allemende als konstruktiver Grenzfall in der europäischen Geschichte kaum eine Entsprechung in der Wirklichkeit. Vielmehr war das Land bereits lange vor Beginn der Übernutzung zwischen dem Adel und dem Klerus (wenn auch in der Form der Grundherrschaft) aufgeteilt. Das allgemein verbreitete Institute des Schollenzwangs, also das Verbot für die Bauern, sich in einem anderen Gebiet niederzulassen, zeigen, dass nicht die rentabel meliorierbaren Grundflächen knapp waren, sondern die Arbeitskräfte. Solche persitenten Mangellagen hätten auch zu Massenwanderungen führen müssen (das schließt nicht das regelmäßige Auftreten von Hungersnöten etwa infolge besonderer Witterungsbedingungen oder lokalen Mangel in den Städten aus).

Andere Lösungen als das exklusive Nutzungsrecht können also zu besseren Ergebnissen führen. In Preußen wurden unter Friedrich II. Sümpfe trockengelegt. Dies waren Investitionen, die Privateigentümer nicht geleistet hätten, denn die Kosten der Investition mussten auf den Preis der erzeugten Güter umgelegt werden. Wenn die Kosten nicht über den Markt an die Konsumenten weitergegeben worden wären, wäre die Produktion ein Verlustgeschäft gewesen. So lange die Getreidepreise aber niedrig waren, konnten die Kosten für das Trockenlegen der Sümpfe nicht über den Ertrag der neu gewonnenen landwirtschaftlichen Nutzfläche erwirtschaftet werden. Der Preis für die geernteten Güter müsste ständig steigen, damit überhaupt der größte Teil des der höchsten Kultur fähigen Bodens vollständig kultiviert werden kann.19) Aber selbst wenn die Preise gestiegen wären, hätte dies nichts genutzt, da die Bevölkerung nicht in der Lage war, das Entgelt für die zwangsläufig teureren Lebensmittel aufzubringen. Wenn ein Eigentümer diese Investitionen finanziert und auf den Verkaufspreis seiner Ware umgelegt hätte, wären seine Produkte unverkäuflich gewesen. Die Erhöhung des Marktpreises hätte nur zu einer Verringerung des Gesamtabsatzes geführt, da der Großteil der Bevölkerung bei höheren Preisen noch weniger Lebensmittel hätte kaufen können. Der reichere Teil hatte hingegen seinen Bedarf bereits gedeckt. Die Steigerung der Produktionsmenge durch Ausweitung der landwirtschaftlichen Anbaufläche konnte über den Markt nicht finanziert werden, sondern nur auf andere Art, etwa durch den Staat. Privateigentum allein konnte das Problem nicht beheben, sondern perpetuierte den Mangel.

Der Übergang von Kollektivgütern in exklusive Güter integrierte sich vielmehr in komplexe Zusammenhänge und war zumeist eine reine Frage der Macht. Die Konstantinische Schenkung, eine gefälschte Urkunde, ist das bekannteste Beispiel: Nach Urkunde soll Kaiser Konstantin dem heiligen Petrus (Papst Silvester) u. a. die Herrschaft über das Abendland geschenkt haben. Sie war Grundlage der Herrschaftsansprüche der katholischen Kirche und Herrschaft über ein Gebiet umfasst im mittelalterlichen Verständnis auch das Grundeigentum. Die häufig auf theoretischen Spekulationen beruhende, idealisierte Sichtweise über die Vorteile des Eigentums lässt sich nicht verallgemeinern. Oft ist die Begründung von Ausschließlichkeitsrechten hinreichende Bedingung für die Schaffung von mehr Gütern. Es sind aber genauso Konstellationen möglich, in denen das Privateigentum die effiziente Nutzung von Gütern verhindert, etwa weil das begrenzte Budget der Konsumenten keine Amortisation der notwendigen Investition erlaubt oder die Marktverhältnisse eine weniger ertragreiche Nutzung finanziell rentabler machen. Diese Misere konnte selbst bei der Produktion des Allernotwendigsten wie den Nahrungsmitteln im 18. Jahrhundert trotz brachliegenden Landes und verfügbarer Arbeitskräfte eintreten.

4.3.1.2 Internationale Anerkennung des Eigentums

Ein weiterer Aspekt ist die Frage, ob und die die Herrscher die in- und ausländischen Rechte an den Gegenständen achteten. Es war in diesen Zeiten eine Selbstverständlichkeit, dass Staaten nur die eigenen Interessen und nur die eigenen Untertanen schützten. Praktisch alle Seefahrernationen statteten beispielsweise bis in das 18. Jahrhundert hinein private Unternehmer mit der Erlaubnis zur Seeräuberei (Kaperbriefe) aus, die im Gegenzug einen Teil der Beute, die Prise, an den Staat abführen mussten. Die Feibeuterei war eine rechtlich geregelte Institution.20) Der Fernhandel war über Jahrhunderte mit Raub und Plünderung verbunden und förderte so die rasche Bildung von Kapital in Europa. Einige Beispiele: Die spanischen Galeonen, wie alle Fernhandelsschiffe dieser Zeit stark bewaffnet und beladen mit den von Sklaven in den Minen der Neuen Welt abgebauten Edelmetallen, mussten stets einen gefährlichen Heimweg antreten, da sie eine interessante Beute für die britischen, holländischen, französischen und freiberuflichen Kaperer und Piraten waren. Der berühmte Kaperer Piet Heyn war Vize-Admiral der Niederländischen Westindien-Kompanie.21) Über das Prisenrecht lautet der Titel des 1604 bis 1605 von Hugo Grotius für die Niederländische Ostindien-Kompanie verfassten Rechtsgutachtens, von dem 1609 anonym das Kapitel Mare Liberum veröffentlicht wurde (Grotius). Es ist ein durch und durch gegen die Portugiesen gerichtetes Werk, die den Handel mit bestimmten Gebieten für sich mit der Begründung der ersten Entdeckung und Okkupation monopolisieren wollten.22) Die Verfassung der Vereinigten Staaten enthält Regeln zur Erlaubnis der Kaperei und bestimmt, dass der Bund zur Ausstellung von Kaperbriefen zuständig ist.23) Die Finanzierung der Kaperschiffe der hoheitlich legitimierten Piraten erfolgte schon im elisabethanischen England auch über Aktiengesellschaften, also über handelbare Kapitalanteile, mit der die Investitionen für das Schiff, die Ausrüstung und das Personal finanziert wurden.24)

Die absolutistischen Fürsten ordneten als keiner weltlichen Macht unterworfene Souveräne in der Zeit des Merkantilismus die Wirtschaft nach den Prinzipien der Staatsräson und gewährten ihren Untertanen so viele Rechte, wie sie es für sinnvoll ansahen. Eine dieser souveränen Entscheidungen konnte lauten, dass das ausländische Eigentum überhaupt nicht anerkannt wird. Dies war aber keine Frage des absolutistischen Herrscherverständnisses. Die Handelsnationen Niederlande und England waren führend bei diesen Praktiken. Kant kritisierte das »Betragen der gesitteten, vornehmlich handeltreibenden Staaten unseres Welttheils«, bei dem »die Ungerechtigkeit, die sie in dem Besuche fremder Länder und Völker (welches ihnen mit dem Erobern derselben für einerlei gilt) beweisen, bis zum Erschrecken weit« ginge.25) So wurden ganze Erdteile erobert und nach dem römischen Prinzip der Okkupation zum Eigentum der Herren der Besetzer erklärt, Piraten mit, Kaperbriefen ausgestattet, zu legitimen Unternehmern oder über Ausschließlichkeitsrechte ausländische Güter im Inland zu rechtswidriger Schmuggelware.

In welchem Verhältnis das Freibeutertum zum geregelten Handel stand, ist hier belanglos. Entscheidend ist, dass fremdes Eigentum nicht per se geschützt war. Der Schutz der Güter durch das Eigentum endete oft an der Staatsgrenze, da es ein Institut der unterschiedlichen Ordnungen war und nur für die an das Rechtssystem gebundenen Mitglieder galt.

Eckhard Höffner 2018/06/02 16:46

Fortsetzung


1)
Vgl. etwa Gieseke S.~122; Gieseke S.~21; Bappert S.~511; Vogel, Sp. 43–47, 59 f. sowie die weiteren Nachweise in diesem Abschnitt.
2)
Weber S.~261 (Teil 2, Kap. II, § 2).
3)
Weber S.~30 (Teil 1, Kap. I, § 10).
4)
Weber S.~31 (Teil 1, Kap. I, § 10).
5)
Vgl. Lehmann S.~525–530; North/Thomas S.~91.
6)
Marx S.~90, stellte bereits fest, dass die politische Ökonomie Robinsonaden – im Vergleich zu einer komplexen Gesellschaft reduzierte Modellsysteme – liebt.
7)
Ferguson S.~97–108, wandte sich allerdings ausdrücklich gegen die damals übliche Verwendung des Begriffs Naturzustand als Beschreibung einer ursprünglichen, überkommenen Gesellschaft ohne Regierung, Eigentum und Recht, wie man ihn bspw. in Hobbes' Leviathan (1651) Lockes zweiter Abhandlung über die Regierung (1690) oder bei Rousseau im Discours sur l'origin et les fondements de l'inégalité parmi les hommes (1750) findet. Es würde sich bei dem Naturzustand nicht um einen Zustand handeln, »den es nicht mehr gibt« (so Rousseau), sondern um den Zustand, in dem die Menschen leben, in der Vergangenheit wie auch hier und jetzt; Ferguson S.~105.
8)
Ferguson S.~205. Er ging davon aus, dass der Zeit des Jagens und Sammelns der Zustand der Barbaren folgte, in dem das Eigentum, wenn es auch noch nicht durch Gesetze gesichert, doch bereits Hauptgegenstand der Sorge und des Begehrens sei.
9)
North S.~84 f.
10)
Bei der Umwelt (beziehungsweise deren Verschmutzung) etwa wie bei anderen knappen Ressourcen, die sich aufbrauchen, ist die optimale Nutzungsintensität in der Regel null oder entspricht dem von der Lebensnot, den materiellen Bedingungen der Selbsterhaltung, vorgegebenen Maß (sofern man den Bedarf künftiger Generationen berücksichtigt). Man muss hier schon argumentieren, bei einer Privatisierung würde ein Einzelner im Interesse der Allgemeinheit oder der kommenden Generationen auf die Ausbeute der Quelle verzichten, etwa aufgrund der Spekulation, der Preis werde stark steigen. Nach Demsetz S.~355, würden Eigentümer die zukünftigen Nutzungsmöglichkeiten und Kosten berechnen und so den gegenwärtigen Wert ihres Grundstücks maximieren. Es sei allgemein bekannt, dass die Menschen sich Gedanken über die Angebots- und Nachfragebedingungen nach ihrem Tode machten. Bei Gemeineigentum hingegen würde man die typischen Folgen des Wettbewerbs erwarten, also größtmögliche Ausbeute, so lange noch Gewinn erwirtschaftet werden kann.
11)
Überzeugender ist für die Frage der Übernutzung der von Demsetz geschilderte Fall, in dem die Einwohner einer Region Tiere jagen, weil sie die Felle eintauschen. Hier führt der Handel und das Streben nach Gewinn (man hat also bereits den fiktiven Naturzustand verlassen) dazu, dass der Bestand massiv dezimiert wird, wenn jedermann Zugang zur Quelle hat. Es sei deshalb besser, wenn man die Jagdrechte privatisiere, weil der Einzelne darauf achten würde, dass es nicht zu einer Übernutzung komme. Vgl. auch Posner S.~35.
12)
Vgl. etwa Schubert S.~45 f.
13)
North S.~84 f. macht es sich einfach, wenn er das Privateigentum als Initialfaktor für den Fortschritt in den Raum stellt: »Der Unterschied zwischen Gemeineigentumsrechten in der Jagd und exklusiven Gemeinschaftsrechten in der Landwirtschaft [ist] für eine Erklärung der Ersten Wirtschaftlichen Revolution entscheidend. Im Jagdsektor fallen die Produktivmittel in die Kategorie des Gemeineigentums, im Agrarsektor in die Kategorie des Dritte ausschließenden Gemeinschaftseigentums, das so geregelt ist, daß es in seinen Verhaltenswirkungen bereits an Privateigentum grenzt.« Es ist eine ähnlich begrenzte Sicht wie wir sie schon bei Locke gesehen haben – im Gegensatz zu etwa Aristoteles, der gemeinsame Nutzung nach bestimmten Regeln als eine der weiteren Möglichkeiten nannte.
14)
Olson S.~125–131.
15)
Klostermann S.~8–11, der die Vorteile der Arbeitsteilung und die Notwendigkeit des Handels mit den einzelnen Gütern als Ursprung des Rechts nennt. Das Eigentum sei zwar das wichtigste Recht, aber keineswegs das ursprüngliche. Die Abgrenzung des Landes sei bei Hirtenvölkern, die kein Eigentum am Grund kennen würden, nicht anzutreffen, Handel und Tausch hingegen schon. Würde man nur auf die Abgrenzung und Zuordnung des Bodens abstellen, sei das Resultat ein dauernder Krieg aller gegen alle, weil dann nicht der Wunsch nach geordneten Tauschgeschäften, sondern nach Raub im Vordergrund stünde.
16)
Hegel S.~140 – § 56.
17)
In Schottland wurde im 18. Jahrhundert der Feldbau, also die typische Allmendenbewirtschaftung, durch die wirtschaftlich einträglichere Viehzucht verdrängt; Braudel S.~412.
18)
Abel S.~205–207.
19)
Ausführlich zu dieser Problematik, vgl. Smith S.~237–246.
20)
Konetzke S.~353: Bereits im 11. Jahrhundert kaperten Italiener die islamischen Handelsschiffe.
21)
Wenn eine Nation im Kriege war, so die Vorstellung von Seerecht, durften ihre Schiffe alle fremden Schiffe anhalten, feindliche kapern und versenken und neutrale durchsuchen, ob sich darauf feindliches Gut befand.
22)
Molina führte zur Verteidigung des vor allem im Hinblick auf die Gewürze einträglichen Handelsmonopols im Sinne einer wettbewerblichen Okkupationstheorie aus: Weil der König von Portugal auf seine Kosten der Schifffahrt den Weg nach Indien geöffnet und die dortigen Städte unterworfen habe, sei er berechtigt, zu seinem Vorteil zu bestimmen, dass niemand außer ihm oder jenen, denen er gegen eine gewisse Summe diesen Handel erlaube, bestimmte Waren aus Indien einzuführen oder aus Portugal nach Indien auszuführen; nach Höffner S.~143
23)
Art. 1 Sec 8 und 10 sahen u. a. vor, dass die Geährung vom „Letters of Marque and Reprisal“ dem Bund vorbehalten war.
24)
Braudel S.~484.
25)
Kant S.~358.

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