Benutzer-Werkzeuge

2.3 Buchdruck

2.3.4 Nachdruck und Luther

Luther

Einige Jahrzehnte nach Erfindung der Buchdruckerkunst stand in Deutschland der Nachdruck bereits in höchster Blüte. Er war eine Selbstverständlichkeit, allen voran die Texte des im 16. Jahrhundert am meisten gedruckten Autors Martin Luther. 66 Nachdrucke der Übersetzung des Neuen Testaments erschienen in den ersten drei Jahren nach der Veröffentlichung.1) Trotz des Nachdrucks wurde das ehemals unbedeutende Wittenberg zu einer blühenden Metropole des Buchdrucks.2) 1526 bemühte Luther sich um ein hoheitliches Verbot des Nachdrucks für die Dauer von einem Jahr, während beispielsweise der ebenfalls vielgelesene Erasmus von Rotterdam 1522 eine Frist von zwei Jahren forderte.3) Dies und abschätzige Äußerungen über die Nachdrucker führten dazu, dass Luther gerne als früher Verfechter des Urheberrechts dargestellt wird. Mit der Wirklichkeit dürfte das kaum etwas zu tun haben.

Warnung D. Mart. Luth.
S. Paulus spricht: Der Geitz ist ein wurtzel alles Vbels. Solchen Spruch erfaren wir in dieser vnser schendlichen bösen zeit so gewaltig / als man nicht wol des gleichen in allen Historien findet.
DEnn sihe allein das grewliche / schreckliche /wesen vnd vbel an / das der Geitz durch den leidigen Wucher treibt / Das auch etliche feine / vernünfftige /dapffere Leute mit diesem Geitzteufel vnd Wucherteufel also besessen sind / das sie wissentlich vnd wolbedachtes verstands / den erkandten Wucher treiben /vnd also williglich vnd bey guter vernunfft den Abgott Mammon / mit grosser grewlicher verachtung göttlicher Gnaden vnd Zorns / anbeten / vnd drüber ins Hellische fewr vnd ewiges Verdamnis sehend vnd hörend gleich lauffen vnd rennen.
DEr selbige verfluchte Geitz / hat vnter allen andern Vbeln / so er treibt / sich auch an vnsere Erbeit gemacht / darin seine bosheit vnd schaden zu vben. Denn nach dem vns allhie zu Wittemberg / der barmhertzige Gott seine vnaussprechliche gnade gegeben hat / Das wir sein heiliges Wort / vnd die heilige Biblia hell vnd lauter in die deudsche Sprache bracht haben / Daran wir (wie das ein jglicher Vernünfftiger wol dencken kan) treffliche grosse Erbeit (doch alles durch Gottes gnaden) gethan.
SO feret der Geitz zu / vnd thut vnsern Buchdrückern diese schalckheit vnd büberey / Das andere flugs balde hernach drücken / Vnd also der unsern Erbeit vnd Vnkost berauben zu jrem Gewin / Welchs eine rechte grosse öffentliche Reuberey ist / die Gott auch wol straffen wird / vnd keinem ehrlichen Christlichen Menschen wol ansteht. Wiewol meinet halben daran nichts gelegen / Denn ich habs vmb sonst empfangen / vmb sonst hab ichs gegeben / vnd begere auch dafur nichts / Christus mein HErr hat mirs viel hundert tausentfeltig vergolten.
ABer das mus ich klagen vber den Geitz / Das die geitzigen Wenste vnd reubische Nachdrücker mit vnser Erbeit vntrewlich vmbgehen. Denn weil sie allein jren Geitz suchen / fragen sie wenig darnach / wie recht oder falsch sie es hin nachdrücken / Vnd ist mir offt widerfaren / das ich der Nachdrücker druck gelesen / also verfelschet gefunden / das ich meine eigen Erbeit / an vielen Orten nicht gekennet / auffs newe habe müssen bessern. Sie machens hin rips raps / Es gilt gelt. So doch (wo sie anders rechte Drücker weren) wol wissen vnd erfaren solten haben / Das kein vleis gnugsam sein kan in solcher Erbeit / als die Drückerey ist / Des wird mir Zeugnis geben / wer jemals versucht hat / was vleisses hie zugehöret.
DERhalben / ob jemand diese vnser newe gebesserte Biblia fur sich selbs / oder auff eine Librarey begert zu haben / der sey von mir hiemit trewlich gewarnet / das er zusehe / was vnd wo er keuffe / vnd sich anneme vmb diesen Druck der von den vnsern corrigirt wird / vnd hie ausgehet. Denn ich gedencke nicht so lange zu leben / das ich die Biblia noch ein mal müge vberlauffen. Auch ob ich so lange leben müste /bin ich doch nu mehr zu schwach zu solcher Erbeit.
VND wündsche das ein jglicher bedencken wolt /das nicht leichtlich jemand anders solcher ernst sey an der Biblia / als vns allhie zu Wittemberg / als denen zum ersten die gnade gegeben ist / Gottes wort wider an den tag vngefelscht / vnd wol geleutert / zubringen. Hoffen auch / vnser Nachkomen werden in jrem nachdrücken / eben den selben vleis dran wenden / Da mit vnser Erbeit rein vnd völlig erhalten werde.
SO haben wirs auch / on allen Geitz / nutz vnd genies (das können wir rhümen in Christo) trewlich vnd reichlich / allen Christen dar gethan vnd mitgeteilet. Vnd was wir darüber gelidden / gethan / vnd dran gewand / das sol niemand erkennen / denn des die Gaben sind / vnd der durch vns vnwirdige / elende /arme Werckgezeug solchs gewirckt hat. Dem sey allein die Ehre / Lob vnd Danck in ewigkeit / AMEN.4)

Wenn man sich über die Geschichte des Urheberrechts und die Nachdrucker in der frühen Neuzeit informiert, wird man selten mit den tatsächlichen Wirkungen, oft aber zuerst mit Luther konfrontiert, der vom Nachdruck als grosse öffentliche Räuberei, die Gott wohl auch strafen wird, sprach. Dass Luther an anderer Stelle von den Verlegern keinen Deut besser sprach, wird regelmäßig unterschlagen. In zahllosen Schriften zum Urheberrecht wurde die zweifelhafte Behauptung aufgestellt, Luther habe die Nachdrucker allgemein verurteilt und sei von einer ausschließlichen Befugnis des Autors zur Vervielfältigung seiner Werke ausgegangen.5) Beides ist nicht zutreffend und widerspricht der in Luthers Zeiten verbreiteten christlichen Haltung zur Ansammlung von Reichtum. Aber die Ursupation großer Namen im Interesse der guten, der eigenen Sache durchzieht die gesamte Rezeptionsgeschichte zum Urheberrecht. Wenn eine historische Gestalt etwas gesagt hat, was in Richtung eines Nachdruckverbots gedeutet werden kann, wurde und wird sie zum Verfechter des Urheberrechts erklärt.6) Auffällig ist die durch geschickte Auswahl der Zitate unlautere Sinnverfremdung bei Kohler,7) für die Luther wohl kaum freundlichere Worte als für die Nachdrucker übrig gehabt hätte. Wenn Luther überhaupt finanzielle Interessen unterstellt werden können, dann streift eher die Interpretation von Kapp8) und Bappert9) den Rand der Aussage, nämlich dass es um den geschmälerten Ertrag der Wittenberger Erstdrucker ging, dass ein »Druckherr […] dem anderen so offensichtlich raubt und stilt das seine …« Aber selbst das wäre übertrieben, denn nur nach Gewinn strebende Kaufleute trieben es nach Luther schlimmer als Straßendiebe und Straßenräuber.10)

Luther wurde für seine Texte von seinen Verlegern nicht bezahlt und hat den Nachdruck als Mittel durchaus geschätzt, seine reformatorischen Lehren schnell und weiträumig zu verbreiten.11) Er sprach 1541 zwar davon, dass »reuberische Nachdrücker mit unser Arbeit untreulich umgehen«. Er meinte damit jedoch nicht, dass ihm etwas weggenommen wurde – er habe es umsonst empfangen und gegeben und begehre dafür nichts (wörtlich: »Wiewol meinet halben daran nichts gelegen/ Denn ich habs vmb sonst empfangen/ vmb sonst hab ichs gegeben/ vnd begere auch dafur nichts«) –, sondern dass die Arbeit nicht ordentlich – untreulich eben – gedruckt wurde. Die scharf klingenden Worte täuschen, denn Luther war in seiner Polemik fast immer maßlos, etwa wenn er forderte, man solle aufständische Bauern wie tolle Hunde erwürgen, oder gegen Erasmus von Rotterdam gerichtet: »Wer den Erasmus zerdrückt, der würget eine Wanze, und diese stinkt tot noch mehr als lebendig.«12)

<html><figure class=„rahmen medialeft“> <a title=„Carlo Crivelli [Public domain], via Wikimedia Commons“ href=„https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3ASt-thomas-aquinas.jpg“><img width=„512“ alt=„St-thomas-aquinas“ src=„https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/e/e3/St-thomas-aquinas.jpg/512px-St-thomas-aquinas.jpg“/></a> <figcaption class=„caption-text“>Thomas von Aquin: Lehre vom gerechten Preis<br /> Das Justum Pretium sollte den standesgemäßen Unterhalt sichern</figcaption> </figure></html>

1525 schrieb Luther, nachdem aus der Werkstatt seines Druckers ein noch unveröffentlichtes Manuskript gestohlen und sofort gedruckt wurde, dass ein Drucker zumindest einen Monat oder deren zwei nach der Veröffentlichung abwarten sollte, bis er nachdruckt. Luther in der Vermanung an die Drücker, 1525: »Solt nicht eyn drucker dem andern aus Christlicher liebe eyn monden odder zween zu gut harren ehe er yhm nachdrucket.« Der Diebstahl des Manuskripts wäre nicht so schlimm, wenn der Text wenigstens richtig gedruckt worden wäre.

Ein wichtiges Argument für den Druck durch einen von ihm, Martin Luther, hierzu berechtigten Drucker war die schlechte Qualität der Nachdrucke. Luther las die Korrekturbogen 13) und brachte bis kurz vor Druckbeginn Änderungen an. Ihm ging es um die richtige Wiedergabe seines Textes.14) Dies kommt auch in dem oben stehenden Zitat zum Ausdruck, wenn er den Geiz der Nachdrucker verurteilt: Die Nachdrucker würden sich aus bloßer Gewinnsucht nicht darum kümmern, »wie recht oder falsch sie es hin nach drücken«, so dass die Texte teilweise bis zur Unkenntlichkeit verfälscht seien. Die unrechtmäßigen Drucker »machens hin rips raps. Es gilt gelt.« Hingegen bringe die von ihm korrigierte Übersetzung „Gottes wort wider an den tag vngefelscht / vnd wol geleutert“. Als rechtmäßiger Drucker wird eher der sorgfältig arbeitende, fleißige Handwerker angesehen, nicht der nach individuellem Vorteil strebende Unternehmer. Seine Wittenberger Drucker sollten nicht reich werden, aber auch keinen existenzgefährdenden Schaden erleiden, sondern ein gerechtes Auskommen haben.15)

Auch Erasmus von Rotterdam sprach abschätzig über die achtlosen Drucker. Die Gesetze und Zünfte würden dafür sorgen, dass die Qualität der Waren der Bäcker, Schuster oder Tuchhändler geprüft und hoch gehalten würden. Die Drucker hingegen seien gänzlich ungebildete Leute, die aus reiner Geldgier lieber Tausende von Druckfehlern hinnähmen, als für einige Goldstücke einen guten Korrektor einzustellen.16)

Dies entspricht der noch zu Beginn des 16. Jahrhunderts weit verbreiteten Geisteshaltung, die Geiz, Eigennutz und Habsucht als gemeinschädlich einstufte; Zinsnehmen erweckte religiöse Bedenken.17)

Die Menschen nahmen das Evangelium noch ernst: »Niemand kann zwei Herren dienen: Entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird an dem einen hängen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon«, wie Luther Matthäus 6, 24 übersetzte. Diese Einstellung kam etwa in Luthers Schrift Von Kauffshandlung und Wucher zum Ausdruck: Die Kaufleute haben »unter sich eine gemeine Regel, das ist ihr Hauptspruch und Grund aller Finanzen, daß sie sagen: Ich mag meine Waar so theur geben, als ich kann [oder will]. Das halten sie für ihr Recht.« Es sollte aber heißen: »Ich mag meine Waare so theuer geben als ich soll, oder, als recht und billig ist.« Das Verkaufen solle kein »Werk sein, das frei in deiner Macht und Willen, ohn alle Gesetz und Maaß stehe, als wärest du ein Gott, der niemand verbunden wäre«. Der Preis sei so zu bemessen, dass der Kaufmann »seine ziemliche Nahrung« erhalte, »seine Kost bezahlet, seine Muhe, Aerbeit und Fahr belohnet werde.«18) Wucher, Monopole und Gewinnsucht widersprachen der christlichen Wirtschaftsethik.19) Luther wandte sich mit der ihm eigenen heftigen Ausdrucksweise allein in vier Schriften ausschließlich gegen Wucher, Handel und Monopole. Monopolisten gehörten bei Luther zu den Leuten, die Wucher betreiben, die willentlich und bei guter Vernunft den Abgott Mammon anbeteten, vom Geitzteufel und Wucherteufel besessen seien und so bewusst ins Höllenfeuer und die Ewige Verdammnis rennen würden:

Würden Könige und Fürsten sich daran beteiligen (etwa durch Erteilung von Monopolrechten), seien sie Diebesgesellen, die auf der einen Seite Diebe, die einen Gulden gestohlen hätten, hängen ließen, auf der anderen Seite aber mit den Monopolisten gemeinsame Sache machten, die alle Welt beraubten.20)

Ökonomisch neuartige Umstände

Der Buchdruck gehörte zu den frühesten moderneren Wirtschaftsorganisationen. Es wird sich im Laufe der Untersuchung zeigen, dass der Buchdruck Vorreiter bei den Forderungen der Unternehmer nach geistigem Eigentum war, die in anderen Bereichen erst mit der Industrialisierung einsetzten. Dem entspricht auch der in der Einleitung erwähnte Umstand, dass beginnend mit der Industrialisierung die Ausschließlichkeitsrechte wieder zunahmen.

Bei der Anfertigung und dem Verkauf von Handschriften sind praktisch nur variable Kosten21) für das Material und die Arbeit, für die Herstellung jedes einzelnen Stücks angefallen. Im Buchdruck gab es hingegen vergleichsweise hohe Fixkosten für die Offizin, also insbesondere für die Druckpressen und die Lettern. Außerdem mussten die Kosten für die Produktion eines Titels vorgeschossen werden, denn im Vergleich zu den anderen Handwerksbetrieben wurden Bücher nicht nur auf Bestellung gedruckt, sondern mussten in höheren Stückzahlen produziert werden. Die Bücher waren außerdem nicht vor Ort, sondern nur weiträumig absetzbar. Die Forderung nach einem Verbot des Verkaufs von Kopien setzte erst nach der Verbreitung des Buchdrucks ein, denn erst ab dann konnte der Wettbewerb mit den gleichen Werken den Absatz der eigenen, in größeren Stückzahlen gefertigten Ware erschweren oder unmöglich machen, weil die Nachfrage durch den Konkurrenten befriedigt wurde. Zudem setzt ein Ausschließlichkeitsrecht für Kopien ein auf Geld als Zahlungsmittel beruhendes System und einen funktionierenden Handel für den Absatz der Kopien über die selbstversorgenden Gemeinschaften hinweg voraus.

<html><figure class=„rahmen medialeft“> <a title=„See page for author [Public domain], via Wikimedia Commons“ href=„https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3ABiblia_latina_Stra%C3%9Fburg_1481_Genesis_I_(Isny).jpg“><img width=„512“ alt=„Biblia latina Straßburg 1481 Genesis I (Isny)“ src=„https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/5/55/Biblia_latina_Stra%C3%9Fburg_1481_Genesis_I_%28Isny%29.jpg/512px-Biblia_latina_Stra%C3%9Fburg_1481_Genesis_I_%28Isny%29.jpg“/></a> <figcaption class=„caption-text“>Glossa ordinara. Druck Adolf Rusch, Straßburg 1481, für Anton Koberger</figcaption> </figure></html>

Mit welchen Schwierigkeiten die Drucker und Verleger im Gegensatz zu den an einem Ort tätigen Schreibern konfrontiert waren, zeigt das Beispiel der Glossa ordinaria, einer drucktechnischen Meisterleistung des Druckers Adolf Rusch. Es war eine Auftragsarbeit für den Nürnberger Verleger Anton Koberger, die mit geliehenen Typen des Druckers Johann Amerbach aus Basel ausgeführt wurde.22) Dieser Handel über weite Strecken war für Koberger typisch, der beispielsweise die Biblia cum postilla Hugonis nach Lyon, Spanien, Italien und seine Faktoreien in Paris, Straßburg und Frankfurt am Main verteilte.23) 1501 schickte Koberger seinen Neffen mit 300 Exemplaren der Glossa nach Venedig, damit dieser die Glossa dort gegen andere Bücher eintauschte und die eingetauschten Bücher dann in Lyon verkaufte, um aus dem Erlös seinen Baseler Drucker zu bezahlen. Die Messe wartete jedoch nicht. Da der Neffe zu spät kam, konnte er von den Büchern nur einen geringen Teil absetzen. Für den Fuhrlohn von Venedig nach Lyon und zurück allein waren jedoch hohe Beträge zu bezahlen.

So stockte der Betrieb aus vielen Gründen: Der Drucker bekam kein Papier, weil in der Stadt die Pest wütete. Die Fuhrleute fuhren erst los, wenn sie voll beladen waren. Die Reise von Nürnberg über Straßburg nach Basel dauerte fünf Wochen. Gab es unterwegs eine unfriedliche Auseinandersetzung, wurde der Transport unterbrochen, und bei starken Regenfällen litt die nur unzureichend gegen Nässe geschützte Ware. Weil Koberger die Außenstände von seinen Kunden aus Ofen, Wien, Breslau, Leipzig und anderen Städten nicht eintreiben konnte, kam er 1504 in Zahlungsschwierigkeiten, zog – weil er keinen auf Basel auftreiben konnte – einen Wechsel auf Straßburg, den er seinem Drucker auf der Ostermesse in Frankfurt zu übergeben plante, wo sich alle möglichen Händler regelmäßig trafen.

Zu den Schwierigkeiten, die mit dem überregionalen Absatz größerer Stückzahlen über einen längeren Zeitraum verknüpft waren, trat auch noch der Wettbewerb hinzu. Kam die Ware am fernen Messeplatz an, ließ sie sich gelegentlich nur schlecht oder unter erheblichem Preisnachlass gegenüber der ursprünglichen Kalkulation absetzen, weil dort bereits ein Konkurrenzdruck angeboten wurde.

Aber wieso sollte es einem Verleger anders gehen, als andern Kaufleuten, deren Gewinn genauso von Angebot und Nachfrage abhing? Erreichte ein Fernhändler mit seinem Schiff nach einer monate- oder jahrelangen Reise den Zielhafen, nachdem dort kurz zuvor die gleiche Ware wie seine Ladung von einem Konkurrenten in größeren Mengen abgeladen worden war, erzielte er unter Umständen nur einen Preis unterhalb seiner Kosten, da die Nachfrage gesättigt war. Sank hingegen ein erwartetes Schiff, stiegen die Preise, sobald die Nachricht über den Untergang bekannt wurde (im 17. Jahrhundert versenkten Holländer auch ganze Schiffsladungen, um durch das so verknappte Angebot die Preise hoch halten zu können).24) Der Wettbewerb war den Druckern wie anderen Kaufleuten ein Dorn im Auge, da er die Gewinnkalkulation störte und unter Umständen unverkäufliche Ware zur Folge hatte, weil sie zu spät zum Absatzort kamen oder einfach zu teuer im Vergleich zur Konkurrenz anboten. So lange es noch genug zu drucken gab, trafen die größeren Buchhändler in ihrem eigenen Interesse Verabredungen untereinander, wonach der eine kein Werk drucken sollte, welches der andere bereits zu drucken angefangen hatte.25) So wurde das Angebot korrigiert, ein Überangebot vermieden. Allerdings ließ sich dies nur bei einem überschaubaren Konkurrentenkreis umsetzen und war durch den langsamen Fluss der Informationen erschwert, so dass alsbald andere Formen des Absatzschutzes gesucht wurden.

Eckhard Höffner 2017/09/30 19:35

ZurückFortsetzung


1)
Gieseke S.~14; Kapp S.~413, 737.
2)
Wittmann S.~51.
3)
Gieseke S.~25, 27. Von Erasmus' Lobes der Torheit wurden 1515 binnen knapp sechs Wochen 1800 Exemplare verkauft, von seinem Colloquia familiaria in zwanzig Jahren 34 Auflagen zu je 1000 Exemplaren; Wittmann S.~43.
4)
Luther, Warnung an die Nachdrucker, Einleitung der Bibel-Übersetzung (1541).
5)
Vgl. etwa Schmid S.~4; Elvers S.~233; Jolly S.~6 f.; Dambach S.~232; Kohler S.~83; Klostermann S.~11; Tietzel S.~45.
6)
Diese Entstellung findet man oft sogar geeint mit der Feststellung, das Urheberrecht sei zum Schutz der Persönlichkeit vor Entstellung notwendig.
7)
Kohler S.~83
8)
Kapp S.~425.
9)
Bappert S.~217.
10)
Bubenheimer S.~145.
11)
Ausführlich Flachmann S.~40, m. w. Nachw.; Kapp S.~313, 423; Wittmann S.~51 f.
12)
Friedell S.~314 (Bd. 1). Die Parteinahme Luthers gegen die Bauern wird aus heutiger Sicht üblicherweise als Verkennung der berechtigten Belange der Bauern eingestuft. Während der Bauernkriege des 16. Jahrhunderts entwickelten sich in Deutschland die ersten Ansätze für die in der Aufklärung so bedeutsame Idee der Verbindung von persönlicher Freiheit und Eigentum als ein Bereich der eigenverantwortlichen Regelung der gemeindlichen Belange; Schmidt S.~68–71. Die militärische Niederlage der Bauern, deren vergleichsweise moderne Forderungen wie Ende der Leibeigenschaft, ein berechenbares und nutzbares Gerichtssystem mit verbindlicher Wirkung für alle, einheitliche Maße, einheitliches Münzsystem, Abschaffung der Zölle, die Kirche möge die kirchlichen Ausgaben aus dem Kirchenzehnten bestreiten etc. teilweise erst Jahrhunderte später umgesetzt wurden, war eindeutig.
13)
vmb diesen Druck der von den vnsern corrigirt wird, wie es in der Warnung heißt
14)
Gieseke S.~25 f; Pohlmann S.~107–109, verweist auf eine Vorrede zu einem Gesangbuch, in der Luther ausdrücklich von falschem Druck und verwüsteten Texten sprach.
15)
Flachmann S.~36–40.
16)
Erasmus in Agida II, in unter »Festina lente« (Eile mit Weile). Vgl. auch Kapp S.~378, Schück S.~96, Heinritz S.~96, Dilba S.~100.
17)
Schulze S.~599. Die bekannten Bibelstellen sind Exodus 22, 24; Levitikus 25, 35 f.: »Wenn dein Bruder neben dir verarmt und nicht mehr bestehen kann, so sollst du dich seiner annehmen wie eines Fremdlings oder Beisassen, dass er neben dir leben könne; und du sollst nicht Zinsen von ihm nehmen noch Aufschlag, sondern sollst dich vor deinem Gott fürchten, dass dein Bruder neben dir leben könne«, sowie Deuteronomium 23, 20–21: »Du sollst von deinem Bruder nicht Zinsen nehmen, weder für Geld noch für Speise noch für alles, wofür man Zinsen nehmen kann. Von dem Ausländer darfst du Zinsen nehmen, aber nicht von deinem Bruder, auf dass dich der HERR, dein Gott, segne in allem, was du unternimmst in dem Lande, dahin du kommst, es einzunehmen.«
18)
Luther 202–204.
19)
Höffner S.~50–61.
20)
Höffner S.~150.
21)
Variable Kosten sind solche Kosten, die mit größerer Produktionsmenge (Ausbringungsmenge) steigen.
22)
Kapp S.~342–359, der den interessanten Briefwechsel zwischen Koberger und Amerbach auszugsweise wiedergibt.
23)
Krieg S.~219.
24)
Höffner S:~116; Braudel S.~179.
25)
Kapp S.~343.

Diese Web­site be­nutzt Cookies. Durch die Nutz­ung der Web­site er­klären Sie sich mit der Speich­er­ung von Cookies auf Ihrem Com­puter ein­ver­standen. Außer­dem be­stät­igen Sie, dass Sie unsere Daten­schutz­richt­linie ge­lesen und ver­standen haben. Wenn Sie damit nicht ein­ver­standen sind, ver­lassen Sie bitte die Web­site.

Mehr Info