Schließung einer Gemeinschaft
Nach Max Weber (Zitate aus Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie)
Solange in einem Markt überdurchschnittliche Gewinne erwirtschaftet werden, besteht ein Anreiz für Unternehmer, sich dort zu engagieren, um an den Gewinnen zu partizipieren. Mit dem Auftreten von immer mehr Konkurrenten beginnt die Einschränkung des freien Zugangs zu den ökonomisch nutzbaren Möglichkeiten auf einem ursprünglich freien Betätigungsfeld. Der Wettbewerb um ökonomische Chancen führt mit wachsender Zahl der Konkurrenten im Verhältnis zum geringer wachsenden Erwerbsspielraum zu dem Interesse, die Konkurrenz »irgendwie einzuschränken«, etwa weil eine Überproduktion vorliegt (mehrere Verleger drucken das gleiche Buch und können die eigene Auflage nicht vollständig absetzen) oder vorhandene Produktionskapazitäten nicht wünschenswert ausgeschöpft werden (die Druckerpressen stehen still, weil die Nachfrage geringer ist als die Produktionskapazität).
Die Einschränkung des Wettbewerbs erfolge anhand äußerlich feststellbarer Merkmale eines Teils der aktuell oder potentiell Mitkonkurrierenden. Solche Abgrenzungsmerkmale könnten etwa Rasse, Abstammung, Geschlecht oder Ausbildung sein. „Die gemeinsam handelnden Konkurrenten sind nun unbeschadet ihrer fortdauernden Konkurrenz untereinander doch nach außen eine ,Interessentengemeinschaft' geworden“ und es wächst eine „Tendenz, eine irgendwie geartete ,Vergesellschaftung‘ mit rationaler Ordnung entstehen zu lassen“. Bei „Fortbestand des monopolistischen Interesses kommt der Zeitpunkt, wo sie eine Ordnung setzen, welche Monopole zugunsten der Begrenzung des Wettbewerbs schafft“, und zur Durchführung der Ordnung Organe bestimmt. Dieser Prozess der „Schließung einer Gemeinschaft“ sei „ein typisch sich wiederholender Vorgang, die Quelle des ,Eigentums‘ am Boden ebenso wie aller zünftigen und anderen Gruppenmonopole.“ Die Mitglieder verfolgen einheitlich den Zweck, „in irgendeinem Umfang die Schließung der betreffenden sozialen und ökonomischen Chancen gegen Außenstehende.“ Sie stehen zwar mit ihren partikularen Interessen im Wettbewerb untereinander, sind jedoch geeint im Willen, das Gut innerhalb der Gemeinschaft zu erhalten. In der Gruppe kann die Zuteilung der monopolistischen Chancen unterschiedlich definitiv sein. Sie könne ganz offen bleiben, so dass die Mitglieder weiter darum frei konkurrieren. Umgekehrt können die Chancen auch nach innen beschränkt (»geschlossen«) werden, indem sie endgültig an den Einzelnen und seine Erben vergeben werden und die Abtretung auf den Kreis der Gemeinschaftsgenossen reduziert wird.
Diese Formen finden wir bei der Buchhändlergilde: Nämlich einmal die allgemeine Freiheit für alle Mitglieder, Bücher zu drucken und zu verkaufen. Soweit der Erwerb konkreter werkbezogener Druckrechte betroffen war, konkurrierten sie untereinander. Hatte ein Mitglied ein entsprechendes Recht appropriiert, wurde es zu seinem ausschließlichen Recht, das nunmehr die Absenz von Wettbewerb sicherstellte. Diese rechtliche Position konnte übertragen oder vererbt werden. Sie konnte allerdings nur innerhalb der Gruppe abgetreten werden. Die Beschränkung der Abtretung innerhalb der Gruppe war notwendig, denn eine freie Abtretbarkeit auch an Außenstehende würde die Sprengung der Gemeinschaft bedeuten: „Die völlige Freigabe der appropriierten Monopolchancen zum Austausch auch nach außen: ihre Verwandlung in völlig ,freies‘ Eigentum, bedeutet natürlich die Sprengung der alten monopolisierten Vergemeinschaftung, als deren caput mortuum nun sich appropriierte Verfügungsgewalten als ,erworbene Rechte‘ in der Hand der Einzelnen im Güterverkehr befinden.“ Außerhalb der privilegierten Gruppe existierten die Rechte nicht, da diese nicht an die Ordnung der Gruppe gebunden waren.
Der Grad und die Art der Appropriation wie auch die Leichtigkeit, mit der sich der Appropriationsprozess vollzieht, hängt laut Weber von der technischen Natur der Objekte und Chancen ab, um die es sich handelt. Dass ein Objekt oder eine Chance erst durch Meliorierung Ertrag bringt, ein Arbeitsprodukt des Nutzenden wird, sei jedoch nicht ausschlaggebend, sondern eher, ob es sich um ein sinnfälliges, einfach abgrenzbares Objekt handele. Rein technisch sei eine gewonnene Kundschaft nicht so leicht als Recht abzugrenzen, wie ein Grundstück oder ein bestimmtes Werk, obwohl in die Kundschaft mehr Arbeit investiert wurde.