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Teil 2

1.2 Unsichtbare Hand

Hardin Schlussfolgerung war: Solange man den Geist von Adam Smith nicht ausdrücklich aus dem Gebiet der praktischen Demografie ausgetrieben habe, seien keine nennenswerten Fortschritte erreichbar. Die in wirtschaftlicher Hinsicht in den Vordergrund gestellte unsichtbare Hand, die Idee, dass ein Individuum, das nur seinen eigenen Gewinn beabsichtigt, sozusagen von einer unsichtbaren Hand geleitet auf diesem Weg dem öffentlichen Interesse am besten diene, habe zu einer Tendenz des Denkens beigetragen, die seitdem das Handeln auf der Grundlage rationaler Analysen störte, nämlich dass individuell getroffene Entscheidungen tatsächlich die besten Entscheidungen für eine gesamte Gesellschaft seien. Wenn diese Annahme richtig sei, rechtfertigte sie das Fortbestehen der gegenwärtigen Politik des Laissez-faire in der Reproduktion. Dann müssten die Menschen von sich aus die Vergrößerung der Population begrenzen. Wenn dies nicht geschehe, also die Bevölkerung wachse, müssten wir unsere individuellen Freiheiten überprüfen, um festzustellen, welche noch vertretbar seien. Man müsse dann versuchen, durch gemeinschaftliche Anstrengungen die notwendigen Reduktionen zu erreichen, oder die Grenzen der Natur werden auf drastische Art die Reduktion herbeiführen.

Hardin führte ein Beispiel zur Übernutzung einer Ressource aus einem Artikel von 1833 an. Der britische Autor Lloyd berichtete, dass in der Nähe einer Stadt zwei Viehweiden seien. Auf der einen Weide waren die Rinder mickrig und verkümmert und der Bewuchs dürftig, während auf eine anderen Viehweide prächtig genährte Kühe genügend Nahrung fanden.1) Den Grund sah der Autor darin, dass die eine Weide von der Allgemeinheit genutzt werden durfte, die andere im Privateigentum stand. Während der Privateigentümer den Gesamtertrag der Weide seiner Entscheidung zugrunde lege, wäre dies bei der Nutzung der Weide durch die Allgemeinheit anders. Der einzelne Kuheigentümer hätte, wenn er eine weitere Kuh auf die Weide treibe, einen kleinen Ertrag, den er sonst nicht erzielen würde. Wenn der Gesamtertrag sinke, ginge dies hauptsächlich zulasten aller anderen, die pro Kuh jeweils eine kleine Einbuße hinnehmen müssten, deren Summe aber größer wäre als der Zugewinn durch eine weitere Kuh. Ist die Kuhweide privat, würde die optimale Zahl an Kühen, etwa 100 dort weiden. Wäre die Weide frei nutzbar, wären es vielleicht 150 Kühe, die aber alle zusammen weniger Milch geben als die 100 gut genährten. Frei nutzbare Ressourcen können zu stark genutzt werden. Wenn Holz, Wildtiere, Bodenschätze, Fische von jedermann erworben werden dürfen, dann führe dies zu Raubbau. Niemand ist für die Nachteile verantwortlich, die durch Vernichtung der Bestände entstehen. Wälder werden kahl geschlagen, ohne dass für die Wiederaufforstung gesorgt wird, Meere leer gefischt usw.2)

1.3 Property Rights als Lösung?

Der Aufsatz von Hardin hat in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur ein großes Echo hervorgerufen. Allerdings nicht, wie man meinen könnte, weil er eine Änderung der freien Marktwirtschaft gefordert hat, sofern der Ressourcenverbrauch unvermindert fortschreitet. Der Begriff der Marktwirtschaft wird im Sinne einer kapitalistischen Geldwirtschaft verstanden (auch im Feudalismus oder Sozialismus hat es Märkte gegeben). 1968 war die Zeit des Kalten Kriegs und der Höhepunkt der Studenten- und Bürgerrechtsbewegungen: Proteste gegen den Vietnamkrieg, die schwarze Bürgerrechtsbewegung, die APO oder Unruhen im Westen und Osten wie der Prager Frühling. Linke Intellektuelle, die Kritik an dem kapitalistischen System übten, konnten an den Universitäten zu wissenschaftlichen Popstars werden. Es sei misslich, so führende US-Ökonomen, dass die Analyse der Grundlagen des kapitalistischen Systems über lange Zeit den Linken überlassen worden sei. Der Kapitalismus beruhe in besonderem Maße auf Märkten und Eigentumsrechten, um Konflikte über knappe Ressourcen zu klären. »These fundamental characteristics of an idealized capitalistic system have been taken for granted by most mainstream economists even though the discipline of economics developed contemporaneously with Western style capitalism.«3)

Hardins Aufsatz wurde bekannt, weil man aus Sicht der Gegner der linken Intellektuellen zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen konnte: Gemeineigentum sei die schlechtere Lösung gegenüber dem Privateigentum; und es gebe eine Lösung für die Umweltprobleme, die ohne Verbote oder hohe Steuern auskomme. Die Antwort lautete, man müsse alle Ressourcen in das kapitalistische System integrieren, dann könnte Laissez-faire nicht nur das Ressourcenproblem, sondern auch die meisten Umweltprobleme lösen.

Bei der Viehweide sei Überführung in Privateigentum dem Gemeineigentum vorzuziehen, weil die Weide besser genutzt wird. Es wird mehr Milch produziert. Bei der Umweltbelastungen werden regelmäßig Verbote und Lenkungssteuern als Reaktionsmöglichkeiten diskutiert. Beide Varianten werden jedoch nicht als optimal angesehen. Zweck von Gesetzen solle nicht die möglichst vollständige Unterbindung von schädlichen Emissionen sein (Verbot oder Höchstwerte als mildere Form), »but rather to secure the optimum amount of smoke pollution, this being the amount which will maximise the value of production.« Die optimale Menge an Umweltbelastung könne nicht durch Lenkungssteuern herbeigeführt werden, denn dann müsste Steuer genau in Höhe der sozialen Kosten (Nachteile für die Allgemeinheit) bemessen werden.4) Hierzu sei nur der Markt mit geeigneten privatwirtschaftlichen Rechten in der Lage. Der Free Market Environmentalism liefert die Grundlage für Analysen, mit welchem zusätzlichen Aufwand welche Nachteile vermindert werden können.5) Man solle deshalb für eine möglichst gut geölte Marktmaschine mit starken Eigentumsrechten und geringen Transaktionskosten sorgen. Die Emissionszertifikate der EU sind ein Versuch, die Produktionskosten bei Emissionen nicht durch Lenkungssteuern zu erhöhen, sondern den Emissionen einen Marktpreis zu geben. Als knappes Gut soll der Preis über Angebot und Nachfrage geregelt werden.

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1)
Lloyd S. 30.
2)
Mises S.~601.
3)
Alchian/Demsetz S. 16.
4)
Coase S. 42; Anderson/Leal.
5)
Die Erwärmung der Erdatmosphäre beruht zum Großteil darauf, dass die Wärmeabstrahlung von der Erde durch die sog. Klimagase verhindert wird. Es gibt beispielsweise Überlegungen, durch Sonnensegel in großer Höhe einen Teil der Sonnenenergie zu spiegeln. Andere wollen auf den Ozeanen einen Sprühnebel erzeugen, der ebenfalls eine höhere Rückstrahlung zur Folge hat als das Wasser. Welche Folgen solche Maßnahmen haben werden, kann niemand jemand abschätzen. Umgekehrt stellt sich die Frage, wieso man die Energie der Sonne nicht dazu nutzen sollte, die fossilen Brennstoffe abzulösen.

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