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Die Aufklärung und das Originalgenie

»Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. […] Habe Muth dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!« lautenKant, Immanuel!Aufklärung|( die ersten Sätze von Kants Schrift Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? Der Beginn und das Ende dieser Zeit lässt sich kaum klar bestimmen, und es ist auch nicht eindeutig, was konkret darunter zu verstehen ist. Aufklärung ist, wie Ernst Troeltsch es ausdrückte, die Zeit, in der die Grundlagen für die moderne Periode der europäischen Kultur und Geschichte geschaffen wurden, eine Gesamtumwälzung der Kultur auf allen Lebensgebieten mit fundamentalen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Änderungen.

Machiavelli und Hobbes haben die Grundlagen für die Staatsräson,Staatsräson Bodin die für den souveränen Herrscher gelegt. Die VernunftRationalisierung wurde zugleich der geistige Gegenspieler des Absolutismus. In der Mitte des 17. Jahrhunderts hatte der Umschwung schon an Fahrt aufgenommen. Die Welt wurde sachlicher. Wissenschaftliche Methoden wurden entwickelt. Francis Bacon erklärte den EmpirismusAufklärung!Empirismus und die induktive Methode der logischen Systematisierung der Wirklichkeit als Methode der Erkenntnis; Hobbes, Locke, Berkely und Hume folgten diesen Ansatz. Dem stand der an allem zweifelnde RationalismusAufklärung!Rationalismus Descartes, RenéRené Descartes' gegenüber, der das eigene Denken, und in der Folge nur das, was der eigene Verstand klar und deutlich erkannte, als gegeben ansah. Er trennte Geist und Körper vollständig, erklärte Tiere zu rein mechanischen Wesen. Die berühmtesten Werke Descartes', Discours de la Méthode (1637) und Méditations (1642), sind Lehren, wie die Methode des cartesianischen Zweifels, die Deduktion,Deduktion anzuwenden ist. Die Möglichkeit, das Geschehen auf der Erde auf christlichem Grund zu erklären, schwand zusehends. Auch die Descartes'sche Physik wurde durch Newtons Philosophiae naturalis principia mathematica (1687) hinfällig und durch die rationale Mechanik, Mathematik und die eine Vielzahl von Naturgesetzen vereinende Theorie der allgemeinen Attraktion verdrängt. Die Vorgänge in der Wirklichkeit konnten naturwissenschaftlich untersucht, erklärt und rational erlernt werden. Die Planetenbewegung etwa war nicht mehr rätselhaft, sondern mathematisch berechen- und vorhersehbar; die Methode konnte gelehrt und gelernt werden.1)

John Locke entwickelte unveräußerliche Menschenrechte, Montesquieu stellt der Exekutive und der Legislative als dritte Gewalt die JudikativeJudikative zur Seite. Jean-Jacques RousseauRousseau, Jean-Jacques definierte mit dem Volonté générale das Interesse der Allgemeinheit als höchstes Gut, übernahm 1762 inGesellschaftsvertrag Contrat social Lockes Vorstellung vom Gesellschaftsvertrag, brachte aber zugleich die erste Garde der Aufklärer wie Voltaire mit Beiträgen, nach denen der Fortschritt die Sittenverderbnis zur Folge habe oder die das Recht auf Eigentum und die daraus abgeleiteten gesellschaftlichen und staatlichen Institutionen in Frage stellten, in Rage.Mandrou S.~335 f. Die Kritik der berühmten Autoren an dem geltenden Ordnungsprinzip und dessen Legitimation wurde immer radikaler, bis schließlich ein Kompromiss zwischen dem bestehenden System und den Aufklärern nicht mehr möglich war. KantKant, Immanuel!Aufklärung|) vereinigte schließlich die auf der bloßen Vernunft beruhende Erkenntnis und die induktive Methode, bei der der Verstand die Aufgabe hat, die sinnlichen Erfahrungen zu ordnen und zu verknüpfen.

Die führenden Autoren waren oft Moralisten, Mathematiker und Naturwissenschaftler, nahezu alle jedenfalls auch Philosophen in einem, die mit Hilfe der Vernunft und geleitet von selbstgeschaffenen Werten versuchten, eine Verbesserung der sozialen und politischen Umstände herbeizuführen. Sie legten die Entstehung der Religion dar, die nunmehr einen Anfang hatte und damit auch ein Ende haben konnte, während die ewige Natur nie vergehen würde. Die Bedeutung der Konfessionen rückte in den Hintergrund, Voltaire betonte die Toleranz, die nur ein Teil einer allgemeinen, nicht mehr nur auf dem Christentum beruhenden Tugendlehre war. An die Stelle der Kirche trat die Wissenschaft, wenn auch in gewandelter Form. Die Wissenschaftler entscheiden über wahr und falsch. Während die christliche Kirche bei der Ermittlung der Wahrheit an das Buch der Bücher wie auch an die eigene Kontinuität gebunden war, versuchten Wissenschaftler bestehende Erkenntnisse zu widerlegen oder zu verifizieren, stuften alte Wahrheiten zu bloßen Vermutungen oder Spekulationen herab. Die Bibelexegese gab, die wissenschaftliche Methode gibt den Erkenntnishorizont vor. Nicht die materiellen Ergebnisse der Wissenschaft haben auf lange Sicht Bestand, sondern die wissenschaftliche Methode, die Rationalisierung der Erkenntnis überdauert die Zeit.

Nachdem der Colbertismus in Frankreich nicht den gewünschten Erfolg zeitigte und 1697 die Klage lautete, Frankreich habe die Hälfte seiner Reichtümer in dreißig oder vierzig Jahren ohne Pest, ohne Kriegswirren oder andere Ereignisse verloren,So Pierre de Boisguilbert 1697; Abel S.~165. Vgl. auch Braudel 328. gab es von 1730 bis 1770 einerseits ein stetiges Wachstum, das in erster Linie den reichen Adligen und Bürgern zugutekam, andererseits die antimerkantilistische Wirtschaftslehre der Physiokraten, derzufolge jeglicher Reichtum eines Landes von den Gütern abhängt, die der Mutterboden hervorbringt.Mandrou S.~343. Der BullionismusBullionismus des Merkantilismus überzeugte sie nicht mehr.

Adam Smith erläuterte, dass das individuelle Streben nach dem eigenen Vorteil ohne eine eher schädliche staatliche Beeinflussung so geleitet werde, dass das Gemeinwohl im Sinne von gesamtwirtschaftlicher Effizienz gefördert werde.Während die Physiokraten in Deutschland auf wenig Gegenliebe stießen, stellt Sartorius S.~iv, (Vorrede), fest, dass die Werke, die Adam Smith veranlasst habe, bereits eine kleine Bibliothek ausmachten. Egoismus sei nicht per se schlecht, wie etwa die Kirche oder Moralphilosophen erklärten, sondern menschlich, ohne Wettbewerb allerdings ungünstig für die Gesellschaft. Die Industrialisierung spielte bei ihm noch keine Rolle. Smith arbeitete seine Theorien noch auf der Grundlage der alten Form des Wirtschaftens mit Handel, Manufakturen und Handwerksbetrieben aus. Der Staat sollte jedenfalls die Ausschließlichkeitsrechte, Privilegien und Zollschranken aufheben, da diese sich in schädlich wirkender Weise der Entfaltung des Einzelnen entgegenstellten.

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